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Die Seidenbaronin (German Edition)

Die Seidenbaronin (German Edition)

Titel: Die Seidenbaronin (German Edition)
Autoren: Martina Rauen
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geschickt.»
    Lächelnd schloss Anna die Augen. «Gott sei gelobt, du bist da. Ich muss nicht sterben, ohne eine vertraute Seele an meiner Seite zu haben.»
    «Du wirst nicht sterben!», sagte die Hebamme barsch. «Man könnte wirklich meinen, du bist eine von diesen vornehmen Frauen, so wie du dich anstellst.»
    «Sie ist eine Adelige», erklärte Paulina, «und ich verlange, dass man sie ab sofort als eine solche behandelt.»
    Die Hebamme lachte höhnisch auf. «So, so, eine Adelige! Deshalb liegt sie auch hier in der Kammer von der Rosiger, wo ich sie vor ein paar Tagen von einem Bastard entbunden habe. Und du – wer bist du? Etwa die Tochter des Landgrafen?»
    «Ich bin Paulina von Gralitz, Annas Nichte», antwortete das junge Mädchen hochnäsig. «Unsere Familie entstammt einem uralten Rittergeschlecht.»
    «Allmächtiger!», stöhnte die Rosiger. «Dann stimmt es also wirklich? Als ob ich nicht schon genug Scherereien hätte! Jetzt ist meine Magd auch noch eine Adelige! Nun ja, adelig oder nicht – sie war sich jedenfalls nicht zu schade, sich von meinem Bruder schwängern zu lassen.»
    Paulina wandte sich an die Hebamme. «Was fehlt meiner Tante denn nun?»
    «Sie hat sich beim Stillen die Brust entzündet», antwortete die Geburtshelferin schon wesentlich freundlicher. «So etwas kommt häufig vor und geht mit hohem Fieber einher. Man hält es oft fälschlicherweise für Kindbettfieber. Sie wird sich aber schnell erholen, wenn sie sich regelmäßig Umschläge macht. Das Fieber ist bereits gesunken.»
    «Was ist mit dem Kind?», wollte Paulina wissen.
    «Es ist gesund. Allerdings …» Die Hebamme stockte und sah ratlos zur Rosiger.
    Paulina erinnerte sich an das, was sie aus den Küchengesprächen der Mägde über Geburten und Hebammen erfahren hatte. «Sie meinen, dass Sie die Unehelichkeit hätten anzeigen müssen?»
    Die Hebamme schluckte.
    «Nun, es wird seinen Grund haben, dass Sie es nicht taten», fuhr Paulina listig fort.
    «Wir haben es nur meinem Bruder zuliebe nicht angezeigt», beeilte sich die Rosiger zu versichern.
    Paulina richtete sich auf. «Wenn ich das richtig sehe, kann es nur in unser aller Interesse sein, die Geburt des Kindes weiter zu verheimlichen. Das Kind muss also vorläufig hier bleiben. Außerdem möchte ich, dass meine Tante nach bestem Vermögen gesund gepflegt wird und ein anständiges Bett erhält. In dieser Kammer wird sie sich nur zusätzlich erkälten. Ich habe etwas Essen mitgebracht, das wird ihr guttun. Sie werden dafür Sorge tragen, dass Anna es bekommt – und nur sie! Andernfalls …»
    «Andernfalls?», fragte die Rosiger herausfordernd.
    «Andernfalls sehe ich mich gezwungen, Annas Vater, den Baron Dornfeld, von den Vorgängen in diesem Hause in Kenntnis zu setzen.»
    «Närrin! Damit liefern Sie Anna gleichfalls der Gerichtsbarkeit aus!», entfuhr es der Hebamme entsetzt.
    «Der Baron würde Mittel und Wege finden, seiner Tochter diese Peinlichkeit zu ersparen. Er hat gute Verbindungen zum Hof.» Hoffentlich verzeiht Gott mir diese Lüge, dachte Paulina, aber ich kann die arme Anna nicht ihrem Elend überlassen.
    Die Rosiger stemmte die Arme in die Hüften. «Das soll also der Dank dafür sein, dass ich Ihre Tante bei mir aufgenommen habe?»
    «Sie haben Anna in dieses Loch hier gesteckt!», erwiderte Paulina ungerührt. «Schlechter kann man nicht einmal ein Tier behandeln. Erwarten Sie dafür noch Dankbarkeit?»
    Die Rosiger schnaubte vor Wut.
    «Und nun lassen Sie mich mit meiner Tante alleine!», verlangte Paulina. «Ich möchte mit ihr unter vier Augen sprechen.»
    Wortlos schlurfte die Rosiger davon.
    Die Hebamme stellte ihren Kräutersud ab und erhob sich ächzend. «Wie wird dieses Mädchen erst sein, wenn es zur Frau geworden ist!», murmelte sie dabei vor sich hin. «Gnade denen, die dann mit ihr zu tun bekommen.»

    Paulina schloss die Tür hinter den beiden Frauen und ließ sich neben der Bettstatt nieder.
    «Anna, hörst du mich?», fragte sie mit sanfter Stimme.
    Die Frau auf dem Lager öffnete die Augen und lächelte schwach. «Du bist Sophies Tochter, nicht wahr?», flüsterte sie. «Wie groß du geworden bist! Du siehst Sophie so gar nicht ähnlich. Es ist schön, dass du da bist. Ich dachte, ich müsste sterben, und ich wollte nicht von dieser Welt gehen, ohne noch einmal jemanden von meiner Familie zu sehen.»
    Paulina nahm ihre Hand. «Du wirst nicht sterben, Anna. Die Hebamme sagt, dass deine Brust entzündet ist. Wenn du dich gut
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