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Die Seidenbaronin (German Edition)

Die Seidenbaronin (German Edition)

Titel: Die Seidenbaronin (German Edition)
Autoren: Martina Rauen
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altem Adel und sehr vermögend.»
    «Die Gräfin Bahro …», sagte Paulina nachdenklich, «sie war gestern Abend bei uns.»
    «Sie war bei euch? Aber mein Vater hat sich doch vor Jahren mit ihr überworfen.»
    «Sie braucht eine Ehrendame für einen Empfang bei Ihrer Hoheit Prinzessin Marie. Deshalb ist sie zu uns gekommen.»
    «Was für ein Glücksfall!», rief Anna aus. «Solch eine Gelegenheit wirst du kein zweites Mal bekommen. Bitte die Gräfin, dich bei Hof einzuführen, dir vielleicht sogar eine Stellung zu besorgen. Sie ist die Einzige in der Familie, die das vermag. Oder, noch besser, frage sie, ob sie dich mit nach Hannover nimmt. Dort kennt wenigstens niemand unsere Familie.»
    «Ist unsere Familie denn so schlecht angesehen?»
    Anna richtete sich unter einiger Anstrengung von ihrer Bettstatt auf. «Ich gebe dir einen guten Ratschlag, liebe Nichte. Erwähne den Namen Dornfeld bei Hof nicht. Es ist besser, wenn niemand erfährt, dass du die Enkelin des alten Barons bist.»
    «Aber warum? Anna, sag mir, was es damit auf sich hat!»
    Ihre Tante ließ sich wieder zurückfallen. «Ich bin furchtbar müde, Paulina. Es ist schön, dass du gekommen bist. Wirst du mich wieder besuchen?»
    «Natürlich», versprach Paulina. «Schon allein, um mich zu vergewissern, dass diese schreckliche Frau Rosiger dich anständig behandelt. Jetzt musst du aber erst einmal gesund werden.»
    Es klopfte zaghaft an der Tür.
    «Gnädiges Fräulein», war Rosas drängende Stimme von draußen zu hören. «Wir müssen uns auf den Heimweg machen! Man wird unsere Abwesenheit sonst bemerken.»
    Paulina seufzte. «Rosa hat recht. Großvater ist Frühaufsteher. Er darf nichts von unserem Besuch bei dir erfahren.»
    Sie stand auf und öffnete die Tür. Rosa reckte neugierig den Hals. Als sie Anna erkannte, schlug sie die Hand vor den Mund.
    «Mein Gott, was ist nur mit dem Fräulein von Dornfeld geschehen!», rief sie entsetzt. «Was für ein Elend!»
    Paulina schob die alte Magd zurück in die Küche. «Es ist schon gut, Rosa. Das gnädige Fräulein wird wieder gesund. Wir werden wiederkommen und uns selbst davon überzeugen.»
    Die Rosiger, die sich zu ihren Kindern an den Tisch gesetzt hatte, beobachtete missmutig die rührselige Szene. «Das hat mir gerade noch gefehlt, dass jetzt hier alle Tage die feinen Herrschaften antanzen.»
    Paulina kniete neben ihrer Tante nieder und streichelte ihre Hand.
    «Du wirst ein angemessenes Kleid brauchen», flüsterte Anna. «In höfischer Gesellschaft muss man die richtige Toilette tragen. Ich kenne einen Tuchhändler, der einen reichhaltigen Fundus an ausgedienten Kleidern besitzt. Er versorgt auch unsere Theatertruppe. Hans Brodermann in der Kleinen Bachgasse. Geh zu ihm und sag ihm, dass du von mir kommst.» Der letzte Satz war kaum noch zu verstehen, so schwach war Annas Stimme geworden.
    «Sie braucht jetzt dringend Ruhe», mahnte die Hebamme. «Sonst steigt das Fieber wieder.»
    «Behüte dich Gott, Anna», sagte Paulina zu ihrer regungslos daliegenden Tante. «Sobald ich kann, sehe ich wieder nach dir.»
    Anna antwortete nicht. Nur ungern stand Paulina auf und verließ die ärmliche Kammer. Sie war schon in der Küche, als sie das dringende Bedürfnis verspürte, sich noch einmal zu ihrer Tante umzudrehen. Sie blickte auf das engelsgleiche Gesicht zwischen den groben Kissen und hatte plötzlich die unbestimmte Ahnung, dass eine lange Zeit vergehen sollte, bis sie Anna wiedersehen würde.

Kapitel 3
    «Sie werden sehen, mein lieber von Ostry, ich schaffe es noch, Sie für meine Pläne zu gewinnen», sagte einer der beiden vornehm gekleideten Herren, die im hinteren Teil des Raumes an einem Tisch mit Tuchrollen entlanggingen. «Sie und ich vereint, das ergibt eine großartige Gemeinschaft, die viel erreichen kann. Es ist doch naheliegend: Sie haben die fachlichen Kenntnisse, ich habe die notwendigen Verbindungen. Wir sind beide kluge Kaufleute und noch dazu verwandt. Worauf warten wir noch?» Er nahm eine der Tuchrollen auf und strich fast ehrfürchtig darüber. «Sehen Sie sich diesen Stoff an! Er ist phantastisch. Leider ist er nicht von uns. Was bedeutet, die Konkurrenz schläft nicht. Wenn wir auf dem Markt mithalten wollen, müssen wir neue Wege gehen.»
    Der andere Herr, etwas kleiner und untersetzter, mit einem schütteren Haarkranz unter der breiten Halbglatze, runzelte die Augenbrauen. «Ich muss gestehen, werter Kronwyler, ich denke mittlerweile selbst über eine Verlagerung meiner
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