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Die Seidenbaronin (German Edition)

Die Seidenbaronin (German Edition)

Titel: Die Seidenbaronin (German Edition)
Autoren: Martina Rauen
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Geschäftstätigkeit nach Crefeld nach. Zumal ich meiner lieben Maria damit einen Herzenswunsch erfüllen würde. Sie ist im Pfälzischen nie so recht heimisch geworden.»
    Kronwyler, ein stattlicher Mann in den besten Jahren, legte überrascht die Tuchrolle beiseite. «Was für eine erfreuliche Nachricht! Ich müsste fast ein wenig gekränkt sein, weil Sie mich nicht eher in Ihre Pläne eingeweiht haben. Schließlich sind wir seit Wochen gemeinsam unterwegs. Auf der Messe haben Sie nie ein Wort über Ihr Vorhaben verloren.»
    «Dafür gibt es eine recht einfache Erklärung. Ich ziehe den Umzug erst seit heute Nacht ernsthaft in Erwägung.»
    «Seit heute Nacht? Was hat Ihren plötzlichen Sinneswandel herbeigeführt?»
    «Mein Bruder traf gestern von Heidelberg kommend ein», antwortete von Ostry mit ernster Miene. «Wie Sie wissen, pflegen wir regen Kontakt zum französischen Zweig unserer Familie. Nun, wir haben von besorgniserregenden Tendenzen Kenntnis erhalten, die weitreichenden Einfluss auf unsere geschäftliche Tätigkeit nehmen könnten.»
    «Sie glauben also, dass es in Frankreich wirklich zum Umbruch kommen wird?»
    «Nicht nur das. Ich befürchte, dass sich die aus Frankreich kommenden aufrührerischen Ideen auch auf das restliche Europa ausbreiten werden. Schon jetzt bemerken wir eine gefährliche Unzufriedenheit unter unserer Bauernschaft.»
    «Wollen Sie die Maulbeerplantage aufgeben?»
    «Mein Bruder sieht ernste Zeiten auf uns zukommen. Er zieht in Erwägung, nach Amerika auszuwandern. Ich glaube nicht, dass es unter den gegebenen Umständen ratsam wäre, den Seidenanbau alleine weiterzubetreiben, und ich denke darüber nach, auf die reine Fabrikation von Seidenprodukten umzustellen. Nun, die Meinung auf der Frankfurter Messe war eindeutig: Das Zentrum der deutschen Seidenindustrie ist Crefeld.»
    Kronwyler klopfte seinem Gegenüber auf die Schulter. «Mein lieber von Ostry, ich bin hocherfreut. Sie werden diesen Schritt nicht bereuen, das verspreche ich Ihnen!»
    «Davon bin ich überzeugt. Ich habe Sie in all den Jahren, die wir uns kennen, über die Maßen schätzen gelernt, Kronwyler. Und das nicht nur, weil meine Frau Gemahlin mit Ihnen verwandt ist. Ich glaube fest daran, dass unsere geschäftliche Verbindung sehr fruchtbar sein wird. Auch wenn ich gestehen muss, dass ich gewisse Bedenken wegen der Vormachtstellung der von der Leyens hege.»
    Kronwyler winkte ab. «Da kann ich Sie beruhigen. Wie Sie wissen, war meine Seidenstrumpffabrik ursprünglich ein Nebenbetrieb der von der Leyens. Mein Vater erhielt die Fabrik seinerzeit als Mitgift, als er eine von der Leyen heiratete. Mein Bruder und ich führen die Produktion heute selbständig und auf eigene Rechnung, im besten Einvernehmen mit der Familie von der Leyen. Man darf ihnen nur nicht ins Gehege kommen, und das habe ich beileibe nicht vor.»
    Paulina wurde zunehmend unbehaglich zumute. Ein paar Minuten zuvor hatte sie das Haus des Tuchhändlers Hans Brodermann in der Kleinen Bachgasse betreten, und seitdem lauschte sie unfreiwillig dem zweifelsohne vertraulichen Gespräch. Gerade überlegte sie, ob sie sich durch ein Räuspern bemerkbar machen sollte, als eine Seitentür geöffnet wurde und ein Mann in einem meisterhaft geschneiderten Rock mit schwungvollen Schritten und stolzgeschwellter Brust auf die beiden Herren zustürmte.
    «Verzeihen Sie vielmals, dass ich Sie warten ließ, Messieurs!» In einer großartigen Geste breitete er seine Arme aus. «Was verschafft mir die Ehre Ihres geschätzten Besuches?»
    Frau von Engelen würde sagen, dass er ein eitler Geck ist, dachte das junge Mädchen.
    «Die Ehre ist ganz auf unserer Seite, werter Herr Brodermann», sagte Kronwyler. «Aber wir wollen doch nicht unsere gute Erziehung vergessen! Möchten Sie sich nicht erst der jungen Dame annehmen?»
    Galant wies er auf Paulina, die sich plötzlich drei neugierigen Augenpaaren ausgesetzt sah. Während Kronwyler und von Ostry sie jedoch wohlwollend musterten, war Brodermann deutlich anzusehen, dass er nicht erfreut über die unerwartete Störung war.
    «Selbstverständlich», sagte er mit heuchlerischem Lächeln. In seinen Augen blitzte es gefährlich. «Was kann ich für Sie tun, Mademoiselle?»
    Paulina bereute es plötzlich, den Laden des Tuchhändlers alleine betreten zu haben. Sie hätte Frau von Engelen zwingen sollen, sie zu begleiten, als diese partout nicht mit hineinkommen wollte, aber jetzt war es zu spät. Es war das erste Mal, dass sie
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