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Die Seidenbaronin (German Edition)

Die Seidenbaronin (German Edition)

Titel: Die Seidenbaronin (German Edition)
Autoren: Martina Rauen
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verzog bei ihren knappen Antworten keine Miene. Die beiden Jüngeren hingegen, zwei bildhübsche Mädchen, konnten kaum still stehen, kicherten in einem fort hinter vorgehaltener Hand und mussten immer wieder zur Vernunft ermahnt werden.
    Das Begrüßungsdefilee neigte sich dem Ende zu, und der Oberhofmarschall wies den Gästen ihre Plätze zu. Paulina fand sich weit von ihrer Großtante entfernt wieder, am anderen Ende des langen Tisches, umringt von lauter fremden Menschen mit prächtiger Toilette, kostbarem Schmuck und kunstvollen Perücken.
    Wenn sie gedacht hatte, mit dem Kleid des Tuchhändlers Staat machen zu können, dann hatte sie sich gründlich getäuscht. So schön es ihr in Brodermanns Haus noch erschienen war, so bescheiden wirkte es jetzt unter all diesen schillernden Roben.
    Paulina stellte aber fest, dass sie nicht die Einzige war, die mit der Toilette der anwesenden Damen nicht mithalten konnte. Ihr schräg gegenüber saßen die drei Enkelinnen der Prinzessin, deren Kleider nicht annähernd so elegant wie die ihrer Gäste waren. Die beiden jüngeren Schwestern schien das wenig zu stören – sie hatten ihre Köpfe zusammengesteckt und tuschelten. Der älteren jedoch stand die Scham ins Gesicht geschrieben.
    Paulina sah ihre Umgebung plötzlich mit den Augen der jungen Prinzessin. Sie bemerkte, wie abgenutzt die Einrichtung des Salons auf den zweiten Blick war. Es war ein offenes Geheimnis, dass Prinzessin George ständig Geldsorgen hatte und es ihr an den erforderlichen Mitteln fehlte, das Palais angemessen zu unterhalten. Paulina, mit dem Gefühl von Schande bestens vertraut, konnte nur allzu gut nachvollziehen, wie sehr die kleine Prinzessin unter den abschätzigen Blicken der Gäste litt.
    Eine Reihe livrierter Diener trat durch die offenen Türen. Platten mit dampfenden Speisen wurden aufgetragen, und Paulina erinnerte sich beim Geruch der dargebotenen Köstlichkeiten daran, dass sie den ganzen Tag über vor lauter Aufregung nichts gegessen hatte. Um sie herum waren inzwischen lebhafte Unterhaltungen im Gange, in die sich das Klappern von Tellern und Besteck mischte. Voller Vorfreude auf das köstliche Essen ließ sie sich von einem Diener den Teller füllen.
    Sie merkte, dass der eine oder andere interessierte Blick sie streifte, und betete insgeheim, dass niemand sie ansprechen würde. Zwischen funkelnden Gläsern und Karaffen hindurch suchte sie die Augen der Gräfin Bahro. Als sie deren mahnenden Gesichtsausdruck sah, senkte sie den Kopf. Gedankenverloren begann sie zu essen.

    «Was haben wir denn da für ein hübsches Vögelchen?», ertönte auf einmal eine krächzende Stimme.
    Paulina brauchte einige Augenblicke, um zu begreifen, dass mit dem hübschen Vögelchen sie gemeint war. Mehrere neugierige Augenpaare waren plötzlich unbarmherzig auf sie gerichtet.
    «Wirklich über die Maßen niedlich», stellte ein junger, ausgesprochen schöner Herr fest, der seinen Platz genau gegenüber hatte und sie mit dem Blick eines Raubtiers fixierte.
    «Sie hat etwas Südländisches», bemerkte die Dame, die neben ihm saß. Ihr Gesicht wirkte unter der dicken Schicht Schminke maskenhaft. «Und doch könnte sie genauso gut ein Kind des Nordens sein. Diese Kombination findet man selten: dunkles Haar, dunkler Teint und Augen so blau wie das Meer. Sehr exquisit.»
    «Wunderhübsch, wie Sie das ausdrücken, meine liebe Gräfin Vorholzen», spöttelte der schöne Mann. «Ich wusste gar nicht, dass Sie literarische Talente besitzen.»
    «Sind Sie nicht zusammen mit der Gräfin Bahro gekommen, mein Kind?», fragte unterdessen die krächzende Stimme, die zu einem älteren Herrn mit tief ins Gesicht gegrabenen Furchen gehörte.
    Paulina blieb nichts anderes übrig als zu antworten. «Ja, Sie haben recht, mein Herr.»
    «Mit der Gräfin Bahro ist sie also hier», wiederholte der schöne junge Mann interessiert. «Dann kommen Sie wohl aus Hannover, Mademoiselle?»
    Die drei starrten Paulina erwartungsvoll an. Das junge Mädchen sah hilfesuchend zur Baronin, die sich jedoch in einer angeregten Unterhaltung mit der Prinzessin befand und von den Nöten ihres Schützlings nichts ahnte.
    «Äh … nein, ich komme nicht aus Hannover», sagte Paulina schließlich in der naiven Hoffnung, dass die Herrschaften sich mit dieser knappen Auskunft zufriedengeben würden.
    «Sie kommt aus Mecklenburg!», mischte sich eine Dame in einem Kleid aus hellblauem Seidenstoff ein. «Frau von Bahro hat es vorhin Ihrer Hoheit erzählt.
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