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Die Seidenbaronin (German Edition)

Die Seidenbaronin (German Edition)

Titel: Die Seidenbaronin (German Edition)
Autoren: Martina Rauen
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Paris gezogen waren. Ich sorgte dafür, dass dies auch Christian zu Ohren kam. Endlich war er bereit, die kleine mecklenburgische Baroness zu heiraten, die ich für ihn ausgesucht hatte, um die Erbfolge zu sichern. Ich hatte erreicht, was ich wollte. Henriette brachte es sogar zur Hofdame der Königin. Nur eines hatte ich nicht bedacht – Christian wurde todunglücklich mit ihr.»
    Er blickte zu dem kleinen Fenster hinauf. «Niemals hätte ich mich in sein Leben einmischen dürfen. Nach der Hochzeit mit Henriette verschloss er sich mir immer mehr. Ich hätte keine unpassendere Gattin für ihn finden können, denn angesichts der Tatsache, dass er dieses bescheidene, demütige Wesen nicht zu lieben vermochte, belastete er sich auch noch mit großen Schuldgefühlen. Bis heute haben sie keine Kinder bekommen. Er war ein so vielversprechender junger Mann. Dass er ausgerechnet Sie zur Dame seines Herzens wählen würde …»
    Donnernde Schritte näherten sich. Ein Schlüssel wurde in der Tür gedreht. Graf Bahro wandte sich um. In seinen Augen war plötzlich eine unendliche Traurigkeit.
    «Ich hoffe, dass Sie mir dennoch verzeihen, Madame!»
    Paulina konnte ihn nur stumm anblicken.
    «Vergessen Sie nicht, was ich Ihnen gesagt habe», flüsterte er. «Sie werden Christian sonst nie wiedersehen!»
    Die Tür flog auf, und Paulina musste einen Satz zur Seite machen.
    Auf der Schwelle standen General Rohan und ein Offizier.
    «Sind Sie so weit, Herr Graf?», fragte der Gouverneur mit starrem Gesicht.
    Graf Bahro streckte sich. «Ich bin so weit! Wir können gehen.»
    «Wohin wird der Graf gebracht?», fragte Paulina mit erstickter Stimme. Ihre Augen irrten zwischen den Männern hin und her.
    Auf ein kaum merkliches Nicken des Generals kam der Offizier auf Paulina zu und zog sie sanft, aber mit Nachdruck aus der Zelle. «Kommen Sie, Madame! Ihr Besuch ist beendet.»
    «Leben Sie wohl, Frau von Ostry», ertönte hinter ihr die Stimme des Grafen Bahro. «Sagen Sie meinem Sohn, dass ich ihn liebe.»
    Paulina drehte sich um und sah, wie Christians Vater sich bekreuzigte. In diesem Moment begriff sie.
    Fassungslos folgte sie dem Offizier aus der Zelle und ging wie in Trance an seiner Seite durch das Gewölbe.
    «Ich will nicht!», war mit einem Mal ein furchterregendes Geschrei zu hören. «Bei der Heiligen Mutter Maria, habt Erbarmen mit mir!»
    Aus einem seitlichen Gang bogen drei Männer um die Ecke. Zwei Soldaten führten einen Gefangenen zwischen sich. Seine Hände waren gefesselt, doch er wehrte sich heftig. Paulina erkannte ihren Verwalter. Er schrie wie am Spieß.
    «Lasst mich! Ich will dort nicht hin!»
    Die Angst schien ihm übermenschliche Kräfte zu verleihen, und die beiden Soldaten vermochten seiner nicht mehr Herr zu werden. Als der Offizier sah, dass der Gefangene kurz davor war, sich loszureißen, ließ er von Paulina ab und eilte den Kameraden zu Hilfe. Gemeinsam überwältigten sie den wie irr gewordenen Mann und schoben ihn unter großer Anstrengung weiter den Gang entlang, bis sie verschwunden waren. Das Geschrei des Gefangenen hallte noch lange zwischen den steinernen Wänden nach.
    Hinter Paulina ertönten Schritte. Mit unbeweglichen Mienen kamen der Gouverneur und Graf Bahro den Gang entlang und gingen an ihr vorbei, ohne sie zu beachten. Christians Vater hielt den Kopf hoch erhoben.
    Paulina stand da wie erstarrt. Auch als die beiden Herren längst fort waren, konnte sie sich nicht regen. Irgendwann gelang es ihr, langsam weiterzugehen. Sie hörte die Absätze ihrer Schuhe auf dem Boden klappern. An den Wänden flackerten nervös die Flammen der Lampen. Sie fröstelte – ob vor Kälte oder vor Angst, hätte sie nicht sagen können.
    Am Ende des Ganges sah Paulina ein helles Licht, das durch eine offene Tür einfiel. Es war mittlerweile Tag geworden. Wie eine Ertrinkende stürzte sie sich auf die Tür, durch die sie aus diesen schrecklichen Mauern würde flüchten können.
    Sie blieb entsetzt stehen.
    Die Tür führte in einen Hof, der von hohen Mauern umgeben war. An die hintere Wand gelehnt standen, die Hände auf den Rücken gefesselt und die Augen mit weißen Tüchern verbunden, Graf Bahro, die drei Offiziere und der Verwalter. Vor ihnen hatte eine Reihe Soldaten Aufstellung genommen, die ihre Gewehre auf den Boden stützten. General Rohan und ein weiterer Offizier sahen von der Seite zu. Neben ihnen wartete ein junger Fähnrich mit einer Trommel. Es herrschte eine fast unerträgliche Stille.
    Der
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