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Die Seidenbaronin (German Edition)

Die Seidenbaronin (German Edition)

Titel: Die Seidenbaronin (German Edition)
Autoren: Martina Rauen
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Erbarmen gehabt und mir zugeflüstert hätte, dass es nach Cassel geht, dann wüsste ich nicht einmal das!»
    «Wer sagt, dass die anderen Herren auch nach Cassel gebracht wurden?»
    «Das hat die Magd des Hauptmanns erzählt, in dessen Haus sie verhaftet wurden.»
    «Nun, wenn man sie verhaftet hat, wird es seinen Grund haben», meinte Paulina. «Ich habe dem Braten von Anfang an nicht getraut.»
    Die Frau des Verwalters klammerte sich an ihren Arm. «Frau Gräfin, Sie müssen nach Cassel fahren! Ihnen wird man bestimmt Auskunft geben, was mit den Herren nun geschieht.»
    «Der Graf Bahro verfügt sicher über genügend einflussreiche Freunde, die ihm beistehen werden», entgegnete Paulina. «Ich muss mich außerdem heute um einen neuen Verwalter bemühen, da ich morgen weiterreisen werde.»
    «Und was wird aus meinem Gatten?» Die Frau des Verwalters brach in Tränen aus.
    Der soll zum Teufel gehen, dachte Paulina, doch im selben Moment wusste sie, dass sie nicht abreisen würde, ohne vorher etwas über das Schicksal der Verhafteten in Erfahrung zu bringen. Das war sie schon allein Christian schuldig. Ob er über das Tun seines Vaters unterrichtet war?
    Paulina gestand der Frau zu, bis zur Entscheidung über die Zukunft ihres Mannes in Blommersforst zu bleiben. Dann brach sie nach Cassel auf. Die ehemalige Residenz der Landgrafen von Hessen-Cassel war die Hauptstadt des nach dem Tilsiter Frieden neu geschaffenen Königreichs Westfalen. Zum König hatte Napoleon seinen Bruder Jérôme gekrönt.
    Paulina begab sich zum Präfekten, von dem sie umgehend empfangen wurde. Er war ein freundlicher älterer Herr, der sich sehr entgegenkommend zeigte und mit ihr eine ganze Weile über Paris plauderte. Als sie ihm schließlich ihr Anliegen vortrug, nahm sein Gesicht nachdenkliche Züge an.
    «Das hört sich nicht gut an, Madame. Mir ist in dieser Sache noch nichts zu Ohren gekommen, und das kann eigentlich nur bedeuten, dass es sich um eine militärische Angelegenheit handelt. Ich will mich aber gerne erkundigen.»
    Sie vereinbarten, dass Paulina ihn am Nachmittag noch einmal aufsuchen sollte. Da die Sonne schien, unternahm sie eine ausgedehnte Spazierfahrt durch die hübsche Stadt, in der König Jérôme einen für seine Verschwendungssucht berühmten Hof unterhielt. Man munkelte, dass er sich sogar einen Harem nach Vorbild der orientalischen Fürsten leistete.
    Als Paulina am Nachmittag erneut beim Präfekten vorsprach, ließ seine düstere Miene bereits ahnen, dass die Verhaftung des Grafen Bahro und der anderen Herren nicht aufgrund eines Salongeschwätzes erfolgt war.
    «Es war schwierig, überhaupt etwas zu erfahren», sagte der Präfekt, dem es auf einmal sichtlich unangenehm war, dass man ihn in der Sache zu Rate gezogen hatte. «Wenn ich es richtig verstanden habe, hat der Graf Bahro einen bewaffneten Aufstand gegen den König vorbereitet.»
    Paulina fuhr der Schreck durch alle Glieder. Das Letzte, was sie gegenwärtig gebrauchen konnte, war, mit einer Revolte in Verbindung gebracht zu werden. Umso wichtiger erschien es Paulina plötzlich, mit den zuständigen Institutionen zu reden. Der Präfekt empfahl ihr, sich an den Militärgouverneur zu wenden, und atmete erleichtert auf, als sie sich verabschiedete.
    Im Sitz der Militärregierung wurde Paulina bei weitem nicht so schnell empfangen wie in der Präfektur, obwohl sie den Gouverneur sogar flüchtig vom Pariser Hof kannte. Man teilte ihr mit, dass der Herr General erst am nächsten Morgen für sie zu sprechen sei. Paulina blieb nichts anderes übrig, als ein Zimmer in einem Gasthaus zu mieten und sich bis zum anderen Tag in Geduld zu fassen.
    Sie musste bis zum Mittag auf einem zugigen Flur sitzen, dann bat der Gouverneur sie endlich zu sich. General Rohan war ein kleiner, drahtiger Fünfziger, der bekannt dafür war, dass er nicht lange fackelte.
    «Gräfin Ostry!», begrüßte er sie. «Ich bin untröstlich, dass Sie so lange warten mussten. Was bringen Sie für Neuigkeiten aus Paris?»
    «Ehrlich gestanden, steht mir der Sinn nicht nach Plaudereien, Herr General», sagte Paulina. «Ich bin nun seit über vierundzwanzig Stunden in der Stadt und versuche vergebens, etwas über fünf Gefangene in Erfahrung zu bringen, die gestern früh aus der Gegend von Lippstadt eintrafen.»
    Der Gouverneur seufzte tief. «Nun, Madame, Ihre Versuche würden auch weiterhin vergebens sein, wenn Sie nicht die Gattin eines Senatsmitglieds wären. Ich verstehe nur nicht ganz, warum
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