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Die Sehnsucht der Pianistin

Die Sehnsucht der Pianistin

Titel: Die Sehnsucht der Pianistin
Autoren: Ruth Nachtigall Nora Roberts
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hatte, war die Tatsache, dass sie mit ihrem schmollenden Blick bei ihm noch immer das Unterste zuoberst kehren konnte.

2. KAPITEL
    D ie Farm der Knights lag inmitten sanfter Hügel und brauner und grüner Felder. Das Getreide zeigte schon zarte grüne Spitzen. Eine graue Scheune stand hinter drei quadratischen Koppeln. Im Hof gackerten und scharrten die Hühner, und auf einer Weide grasten gefleckte Kühe, die zu träge waren, sich um den herannahenden Wagen zu kümmern. Ganz anders eine Schar Gänse, die, von dem plötzlichen Motorengeräusch aufgeschreckt, schnatternd am Bachufer entlanglief.
    Ein holpriger Kiesweg führte zum Farmhaus. Vanessa fuhr ihn bis zum Ende und hielt dann an. Aus der Ferne hörte sie das Tuckern eines Traktors und das fröhliche Bellen eines Hundes.
    Sicher war es dumm, jetzt nervös zu sein, aber sie konnte nicht anders. Hier in diesem geräumigen, dreistöckigen Farmhaus mit den hohen Schornsteinen und der breiten Veranda lebte ihre älteste und beste Freundin. Jemand, mit dem sie jeden Gedanken, jedes Gefühl, jeden Wunsch und jede Enttäuschung geteilt hatte.
    Doch damals waren sie Kinder gewesen, junge Mädchen auf der Schwelle zum Erwachsenwerden, wo man ganz aus dem Gefühl heraus lebt. Sie hatten keine Zeit gehabt, sich allmählich auseinanderzuleben. Ihre Freundschaft war rasch und endgültig beendet worden, und seitdem hatten sie beide viel erlebt – zu viel. Es war sicher naiv und übertrieben zu glauben, dass diese Freundschaftsbande erneuert werden könnten.
    Daran dachte Vanessa und wappnete sich mit Gleichmut, während sie die Holzstufen zur Vorderveranda hinaufstieg.
    Die Tür flog auf. Der Anblick der Frau, die heraustrat, löste in Vanessa eine Flut von Erinnerungen aus. Ganz anders als vor dem Haus ihrer Mutter, empfand Vanessa in diesem Augenblick weder Verwirrung noch Kummer.
    Joanie sieht ja noch immer aus wie damals, dachte sie verdutzt. Ihre Freundin war von kräftigem Wuchs und hatte noch immer all die reizvollen Rundungen, um die Vanessa sie in ihrer Jugend so beneidet hatte. Das kurz geschnittene Haar lockte sich um ein anziehend hübsches Gesicht. Dunkles Haar und blaue Augen, wie ihr Bruder, aber ihre Züge waren weicher, und besonders ihr verwegener Kussmund hatte die Jungen früher ganz wild gemacht.
    Vanessa suchte nach Worten, aber im gleichen Augenblick stieß Joanie einen begeisterten Jauchzer aus. Sie fielen sich in die Arme und drückten und herzten sich. Lachen, Tränen und abgehackte Wortfetzen ließen die Jahre in nichts zusammenschmelzen.
    „Ich kann noch gar nicht glauben, dass du hier bist.“
    „Du hast mir gefehlt. Du siehst … es tut mir so leid.“
    „Als ich hörte, dass du …“ Kopfschüttelnd strahlte Joanie die Freundin an. „Es tut so gut, dich wiederzusehen, Vanessa.“
    „Ich hatte fast Angst, herzukommen.“ Vanessa wischte sich mit dem Handrücken über die Wange.
    „Warum?“
    „Ich dachte, du würdest schrecklich höflich sein, mir eine Tasse Tee anbieten und verzweifelt nach einem Gesprächsstoff suchen.“
    Joanie holte ein zerknülltes Taschentuch aus der Tasche und putzte sich die Nase. „Und ich dachte, du würdest im Nerz und mit Brillanten behängt hier aufkreuzen und pflichtschuldigst die Honneurs machen.“
    Vanessa lachte unsicher. „Mein Nerz ist ziemlich eingemottet.“
    Joanie griff nach ihrer Hand und zog sie ins Haus.
    „Komm herein. Eine Tasse Tee könnte ja trotzdem nicht schaden.“
    Die Diele war hell und blitzsauber. Joanie führte Vanessa in ein hübsch eingerichtetes, gemütliches Wohnzimmer. An den überall herumliegenden Spielsachen sah man gleich, dass ein Kind im Haus lebte. Unwillkürlich bückte Vanessa sich und hob eine bunte Rassel auf.
    „Du hast ein kleines Mädchen.“
    „Lara.“ Joanie strahlte. „Sie ist ein Schatz. Sie wird bald von ihrem Nachmittagsschläfchen aufwachen. Ich kann es gar nicht abwarten, sie dir zu zeigen.“
    „Man kann es sich kaum vorstellen“, sagte Vanessa staunend. „Du und Mutter.“
    „Ich habe mich schon daran gewöhnt.“ Sie setzten sich aufs Sofa, und Joanie ergriff Vanessas Hand. „Ich kann es immer noch nicht glauben, dass du da bist. Vanessa Saxton, die berühmte Konzertpianistin, die weit gereiste Musikkoryphäe.“
    Vanessa stöhnte auf. „Oh, bitte nicht. Die habe ich in Washington zurückgelassen.“
    „Ach, lass mich doch ein bisschen schwärmen.“ Joanie lächelte noch immer, aber ihre Augen, die denen ihres Bruders so ähnlich waren,
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