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Die Sehnsucht der Konkubine

Die Sehnsucht der Konkubine

Titel: Die Sehnsucht der Konkubine
Autoren: Kate Furnivall
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Langem gelernt hatte, sich durchzusetzen und stark und hartnäckig genug zu sein, um den Tücken des Lebens die Stirn zu bieten. Das wusste er. Etwas in ihm hätte gerne die Kluft zwischen ihnen überwunden und sie berührt, ihr über die Schulter oder das Haar gestreichelt, um ihr ein Gefühl der Sicherheit zu geben. Aber er war sich sicher, dass ihr das nicht recht gewesen wäre, weil sie es als Geste des Mitleids verstanden hätte.
    Stattdessen sagte er sanft: »Wir müssen an einem Strang ziehen, Lydia.«
    Doch sie würdigte ihn keines Blickes, keiner Antwort.
    Einzig und allein ein leises Murmeln entrang sich ihren Lippen, ein irgendwie verzweifeltes, einsames Geräusch, wie er fand. Alex sah, wie ihr Blick in die Leere ging und ihre Lippen sich stumm bewegten. Sie war weg. Das kam manchmal vor. Wenn es ihr zu viel wurde, verschwand sie einfach, ließ ihn zurück, um in ihre ganz eigene Welt einzutauchen, eine Welt in ihrem Kopf, die ihr … ja, was brachte? Freude? Trost? Eine Zuflucht vor diesem schäbigen Zimmer und diesem armseligen Leben?
    Alexejs Rücken wurde steif. Er konnte sich schon denken, wohin sie gegangen war. Und mit wem. Unvermittelt öffnete er die Tür, um zu gehen.
    »Wir sehen uns morgen am Zug«, sagte er barsch.
    Keine Antwort.
    Er ging hinaus und ließ die Tür mit einem scharfen Klicken ins Schloss fallen.
    Alexej trat in den schummrig beleuchteten Flur hinaus und blieb erschrocken stehen. Direkt vor dem Zimmer seiner Schwester stand Liew Popkow, Lydias verrückter Kosak. Alexej war ein groß gewachsener Mann, der es nicht gewohnt war, dass andere auf ihn herabschauten, doch Popkow war noch ein ganzes Stück größer als er und hatte den breiten Brustkorb und die Reizbarkeit eines Wasserbüffels. Er stand wie verwurzelt auf den abgewetzten Dielenbrettern, als wollte er Alexej den Weg versperren, die gewaltigen Arme so vor der Brust verschränkt, dass sie mit jedem Atemzug anzuschwellen schienen. Er kaute auf etwas Unappetitlichem, von dem seine Zähne die Farbe alten Leders annahmen.
    »Geh mir aus dem Weg«, sagte Alexej leise.
    »Lass sie in Ruhe.«
    Alexej musterte ihn kalt. »Wen soll ich in Ruhe lassen?«
    »Sie ist jung.«
    »Sie ist gefährlich, weil sie ungestüm ist. Sie muss lernen.«
    »Nicht von dir.«
    »Du hast heute Abend zugelassen, dass sie ein Risiko eingeht.«
    » Njet . Du bist die Gefahr. Du, nicht sie. Du mit all deinem affigen Gerede und deiner adligen Hochnäsigkeit. Ich sag dir was, jeden Tag, an dem ein Morgen für uns dämmert, bist du ein Risiko für uns, nicht …«
    »Du bist ein hirnloser Trottel, Popkow.«
    »Ich bin hier, um sie zu beschützen.«
    »Du?« Alexej spuckte das Wort regelrecht aus und bedachte den Kosaken mit einem trägen, beleidigenden Lächeln.
    »Da.« Popkows schwarzer Lockenkopf war so ungebändigt wie seine Launen und verdeckte nur halb die gezackte Narbe, die sich über der Augenklappe quer über seine Stirn zog. »Da.« Popkow fauchte das einzelne Wort, und mit dem Zischlaut kam auch ein Schwall übel riechenden Atems aus seinem Mund. »Wenn du ihr Angst machst«, knurrte er, »reiß ich dir deine verdammten Eier ab.«
    Alexejs Augen wurden schmal. Er senkte die Stimme. »Wag es, mich anzufassen, und ich drück dir die Kehle zu, bevor du noch um Hilfe rufen kannst. Und jetzt sag mir, was sie dir ins Ohr geflüstert hat.«
    »Was?«
    »Sag mir, du Hornochse, was sie dir beim Armdrücken ins Ohr geflüstert hat, um dir die Kraft zu siegen einzuflößen, als du schon vollkommen am Ende warst?«
    »Das wirst du nie erfahren.«
    Jetzt flüsterte Alexej nur noch. »Hat sie dir versprochen, mit dir zu vögeln, war es das?«
    Der große Mann brüllte.
    Eine Tür wurde aufgerissen. Als sie gegen die Wand schlug, hallte das Krachen durch den ganzen Flur und lenkte die Aufmerksamkeit der beiden Männer auf die Frau, die neben Lydias Zimmer auf den Flur getreten war. Breitbeinig, die Hände in die Hüften gestützt, stand sie da, offenbar ohne zu merken, dass ihr gestreiftes Nachthemd bis zur Hüfte aufgeknöpft war und einen recht offenherzigen, wenn auch nur teilweisen Blick auf die Rundungen ihrer üppigen Brüste freigab.
    »Hört endlich mit eurem Geschrei auf, ihr blöden Hammel!«, schrie sie sie an. »Ich versuche hier zu schlafen und höre bloß zwei Volltrottel, die sich die Köpfe einschlagen!«
    Alexej warf einen Blick auf ihre breiten, platten Füße, auf die gelblichen Zehennägel, die aussahen, als wären sie aus Elchhorn
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