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Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)

Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)

Titel: Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)
Autoren: Hanni Münzer
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sie leider völlig, sich selbst zu
retten. Weißt du, Lukas, in einem werden wir beide immer Trost finden: Auch
wenn das kostbare Lebensgefäß Rabeas zerbrochen wurde, die Erinnerung an den
süßen Duft dieser reinsten aller Blumen wird uns immer begleiten."
     
    Jemand
berührte seinen Arm: "Lukas!"
    In
sich versunken, hatte der junge Mann nicht bemerkt, dass der alte Rabbi seine
Gebete beendet und ihm etwas zugeflüstert hatte.
    Rabeas
ehemalige Klassenkameraden hatten inzwischen eine kleine Musikanlage aufgebaut
und spielten zum Abschluss der Trauerfeier ihr Lieblingslied. Lukas hatte es
vorgeschlagen, weil es der würdige Abschluss für diesen Tag des Abschieds war.
    Eigentlich
hatte Lucie vorgehabt, das Lied für Rabea selbst zu singen, aber bereits beim
ersten Versuch versagte ihr die Stimme und ging in einem weiteren Weinkrampf
unter. So wurde nun das Original abgespielt, einst von Marilyn Monroe mit
wehmütiger Stimme gesungen: "One Silverdollar, changing hands, changing
lives, changing hearts."
    Als
der letzte melancholische Ton der begleitenden Mandoline verklungen war,
verließ die kleine Trauergemeinde die Begräbnisstätte.
    Auf
Wunsch von Lucie und Lukas hatte ihre Mutter eine kleine Abschiedsfeier in der
Villa arrangiert. Auch wenn die Gruppe aus weniger als zwanzig Personen
bestand, das Haus der Rosenthals wäre dafür zu klein gewesen.
    Die
meisten Freunde blieben den ganzen Tag über bis spät in die Nacht hinein, man
sprach über Rabea, lachte und trauerte und erinnerte sich gegenseitig an die
vielen gemeinsamen und unvergesslichen Erlebnisse.
    Lukas
von Stetten fasste noch in dieser Nacht einen unumstößlichen Entschluss: Er
würde das Rabea gegebene Versprechen halten und den Jesuitenorden verlassen. So
bald wie möglich würde er um die Entbindung von seinen Gelübden bitten. Welch
eine Ironie des Schicksals es doch war, dass Rabea ausgerechnet dann sterben
musste, als sie endlich erkannt hatte, was der wahre Glauben wirklich
bedeutete, was Lukas wahrhaftig fühlte und weshalb er ihm so viel bedeutete.
Der wahre Glaube stahl keine Liebe, wie sie immer gedacht hatte, sondern
bereicherte sie und füllte die Herzen bis zum Himmel damit an.
    Unerträglich
schwer lasteten die dunklen Schwingen der Trauer auf Lukas und hielten ihn fest
umschlungen. Nachts wälzte er sich unruhig im Bett von einer Seite zur anderen,
so dass Stellina, die zu seinen Füßen schlafen durfte, ihn mehrmals
vorwurfsvoll anstupste, aber der Schlaf wollte sich nicht einstellen. Jede
Minute dehnte sich für ihn zu Stunden, die Stunden wurden zu einer Ewigkeit.
    Eine
jede Wunde brauchte seine Zeit, um zu heilen - wie oft hatte er
diese Worte als Trost den Hinterbliebenen gespendet.
    Aber,
was sollte er tun, wenn die Zeit für ihn nicht mehr verging? Die Zeit wurde
sein Feind, das Versprechen der Zukunft würde nie mehr eingelöst werden. Es
war, als hätte Rabea alle Zeit mit sich genommen und ihn auf ewig in einer Zeitschleife
gefangen gesetzt, in der es nur die immerwährende Düsternis einer bleiernen
Gegenwart gab. Mechanisch verrichtete er die notwendigsten Dinge: morgens
aufstehen, duschen, Konversation mit seinen Eltern; er aß und trank, ohne
irgendetwas zu schmecken - alles um ihn herum erschien ihm grau, fade, tot.
All´ diese Dinge tat er nur, weil seine Umwelt sie abverlangte und nötigenfalls
aufzwang. Zu hoch schien der Tribut, den er seiner Trauer um seinen Mentor
Onkel Franz, seinem besten Freund Simone und dem Verlust seiner Liebe Rabea
zollte. Wenn die Entführer auch noch seiner Schwester Lucie etwas angetan
hätten … er vermochte nicht zu sagen, wie viel Lebensmut er noch hätte
aufbringen können. Für sich hatte er keinen weiteren Lebensplan, obwohl er
wusste, dass er sich bald überlegen musste, wie er künftig seinen Unterhalt als
Privatmann bestreiten sollte. Keinesfalls wollte er in irgendeiner Form von
seinem Vater abhängig sein. Vielleicht konnte er eine Stelle als Lehrer
annehmen. Diese Überlegung hätte Rabea sicherlich gefallen: Sie war immer der
Meinung gewesen, dass er seine Fähigkeiten in den Dienst aller Menschen stellen
und nicht dem vermeintlich christlichen Gott alleine dienen sollte. Aber noch
fühlte er sich nicht imstande, eine Entscheidung zu treffen. Seine Kraft
erschöpfte sich in der Trauer. Immerhin hatte er vor, Rabeas letzten
geflüsterten Wunsch zu erfüllen und am nächsten Tag nach Urnäsch zu fahren,
das, wie er herausgefunden hatte, ungefähr 40 Kilometer südwestlich
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