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Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)

Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)

Titel: Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)
Autoren: Hanni Münzer
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letzten
unvollendeten Arbeit, einem Paar dicker, warmer Socken. Solange sich Lukas
erinnern konnte, stets hatte Rabeas Großmutter in ihrem Lieblingsstuhl neben
dem Fenster gesessen und an irgendetwas gestrickt. Da waren dieselben alten
Bilder in den Silberrahmen auf der Biedermeierkommode gegenüber dem Fenster.
Sie zeigten die Hochzeitsbilder der Großeltern und von Rabeas Eltern, Rabea als
Baby in den Armen ihrer Mutter, als fröhliches Kleinkind auf einem Dreirad,
später als Teenager mit dem obligatorischen Tier auf dem Arm, in diesem Fall
einem Meerschweinchen, dessen Bauch dick verbunden war. Schließlich das
vertraute Bild, das sie als stolze Abiturientin, umrahmt von Lukas und Lucie,
zeigte. Es war dasselbe Bild, das er in seiner Brieftasche mit sich führte.
Lukas schnürte es die Kehle zusammen, als er die verblassten Momentaufnahmen
vergangenen Glücks betrachtete. Sogar der Geruch im Haus war derselbe
geblieben, er hatte ihn gleich bei seinem Eintreten tröstlich umfangen - ein
Stück Geborgenheit, bewahrt durch glückliche Kindheitserinnerungen.
    Rabeas
Großvater kehrte zurück, ein kleines Holztablett mit zwei dampfenden
Henkeltassen und einer kleinen Plastikschüssel balancierend. Lukas löste sich
vom Anblick der Bilder und nahm auf der Couch Platz, auf der Lucie, Rabea und
er früher gesessen und ganze Berge an Schokoladenkeksen vertilgt hatten. Heute
gab es keine Kekse.
    Der
Rabbi reichte ihm eine Tasse duftenden Kräutertees. Die kleine Schüssel, die er
fürsorglich mit frischem Wasser gefüllt hatte, war für Stellina gedacht. Er
stellte sie unter den Tisch und setzte sich dann Lukas gegenüber in einen der
Sessel. Stellina, die die Schale nur neugierig beschnüffelt hatte, ließ sich zu
Lukas´ Füßen nieder und behielt den Rabbi aufmerksam im Auge.
    Nachdem
der Alte einen vorsichtigen Schluck aus seiner Tasse genommen hatte, sagte er
zu Lukas: "Danke Lukas, dass du mir meine Rabea nach Hause gebracht hast.
Ich weiß, was dich bedrückt: Du glaubst, dass du eine Mitschuld an ihrem Tod
hast und es vielleicht hättest verhindern können. Aber das ist nicht richtig.
Es war Rabeas Schicksal, nicht alt zu werden. Ihre Großmutter und ich, wir
haben es immer geahnt. Beide haben wir darum gebetet, dass wir es nicht mehr
erleben würden. Wenigstens ihrer Großmutter ist dieser Schmerz erspart
geblieben. Rabea wusste es auch, Lukas. Darum war sie so unausgeglichen,
ständig ist sie rastlos durch die Welt gereist, als hätte sie Angst davor
gehabt, irgendwo länger zu verweilen. Sie war nirgendwo zu Hause, Lukas. Warst
du schon einmal in ihrer Wohnung in Berlin?", fragte ihn der Alte und als
der junge Mann stumm den Kopf schüttelte, fuhr er bekümmert fort: "Ich
habe sie einmal vor zwei Jahren dort besucht, kurz nach dem Tode ihrer Großmutter.
Es hat mich tief berührt. Nie habe ich etwas Trübseligeres als diese Wohnung
gesehen, ein erschütterndes Spiegelbild von Rabeas Seele. Ein trauriges
Sammelsurium von den allernötigsten Dingen, unausgepackten Umzugskisten und
Koffern. Nichts Persönliches, so als wollte sie keine Nähe zulassen, keine
Erinnerung. Sie war einsam, Lukas. Die Wohnung in Berlin ein Trittbrett, auf
das sie ab und zu aufsprang, um ihre Koffer für die nächste Reise umzupacken.
Seit dem Tode ihrer Großmutter hatte sie sich noch mehr verändert, sie wurde
immer verschlossener, ihre Besuche und Briefe seltener. Ich hätte ihr so gerne
geholfen, aber diese innere Unrast musste sie selbst besiegen. Eine Weile hatte
ich gehofft, ihr würdet zusammenbleiben. Du warst ihr Ruhepol, Lukas, vielleicht
hätte sie bei dir den Frieden erfahren, den sie alleine nie gefunden hat. Aber
jeder hat für sich und sein Leben Entscheidungen getroffen, die den anderen
nicht mit einschlossen. Wenn ich an meine Rabea denke, dann sehe ich vor mir
eine einmalige und wunderschöne Blume in dem kostbaren Gefäß des Lebens. Rabea
liebte die Unschuldigen, die Kinder und die Tiere. Weißt du noch, wie sie uns
ständig kranke Tiere angeschleppt hat? Sie war so voller Liebe und Fürsorge für
die Hilflosen und hat als kleines Mädchen immer behauptet, dass Gott lächelt,
wenn es seinen Tieren gut geht." Bei der Erinnerung an Rabeas ständig mit
Vögeln, Igeln, Kaninchen, Hunden und Katzen und sogar einmal einem kleinen Esel
überfüllten Privatzoo, stahl sich ein wehmütiges Lächeln in die traurig
zerfurchten Mundwinkel des alten Rabbis. "Meine Rabea hätte am liebsten
die ganze Welt gerettet und dabei übersah
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