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Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Sabine Weigand
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ausfindig zu machen, aber niemand wusste, wo die Amme mit der Kleinen hingegangen war in dem Durcheinander, als die Schweden kamen. Man hätte ihm ja gern helfen wollen, aber niemand wusste so recht, wie.
    Abdias Wolff schlug seinem Freund aufmunternd auf den Rücken. »Hör auf zu unken, Heinrich, gönn den Jungen ihr Glück.«
    Flock nahm einen Schluck. »Hast ja recht, Abdias. Entschuldigt, ihr zwei, ich hab’s nicht bös gemeint. Ich bin halt ein alter Griesgram geworden. Und heut früh hat man mir auch noch die Rechnung von der fürstbischöflichen Malefizkasse gebracht. Sie wollen 1600 Gulden für Unterbringung, Befragungen, Kleidung, Essen, Wächterlohn, Lichter und Brennholz. Dafür, dass sie meine Thea eingesperrt, gequält und umgebracht haben! Wofür ist unser Herr Jesus am Kreuz gestorben, wenn die Teufel noch unter uns sind und sogar jetzt noch für ihr Werk bezahlt werden wollen?«
    »Die letzte Rechnung bringt der Jüngste Tag.« Cornelius legte Flock die Hand auf die Schulter. »Du darfst nicht so denken, Heinrich. Du nicht, und nicht die Familien der tausend verbrannten Druden. So viel Unrecht – aber jetzt müssen wir alle nach vorn schauen.«
    »Cornelius hat recht. Es ist vorbei.« Der Apotheker wischte sich über die feucht gewordenen Augen. »Du hast deine Frau und ich meine Tochter verloren. Trotzdem, Heinrich, es nützt ja alles nichts. Aus Bamberg muss wieder was werden. Dazu können wir unser Teil beitragen. Denk dran: Uns beide wollten sie auch umbringen, aber es ist ihnen nicht gelungen. Wenn wir jetzt aufgeben, hätten die Hexenbrenner doch noch gewonnen, und den Triumph gönnen wir ihnen nicht. Jetzt, wo der Fürstbischof fort ist, können wir wieder von vorn anfangen.«
    »Weiß man denn inzwischen, wo er hin ist?«, erkundigte sich Toni.
    »Angeblich nach Kärnten, wo das Bistum Bamberg große Besitzungen hat«, sagte Cornelius.
    »Da kann er meinetwegen hocken bleiben bis zum Jüngsten Tag«, erwiderte der Junge. »Wenn ihn nicht vorher der Teufel holt.«
    »Holla, jemand daheim?« Die Stimme von Pater Kircher drang von draußen durchs geschlossene Fenster. »Macht ihr einem hungrigen Mann Gottes zur Abendessenszeit die Tür auf?«
    Kircher hinkte ins Zimmer, seine Verletzungen waren immer noch nicht ganz verheilt. Er trug ein Bündel in den Armen und sah sich suchend in der Stube um. »Hab ich mir doch gedacht, Heinrich Flock, dass Ihr hier zu finden seid. Ich hab Euch was mitgebracht.« Mit diesen Worten ging er auf Flock zu, legte ihm das Bündel auf die Knie und zog einen Zipfel des Tuchs zur Seite. Ein rosiges Gesichtchen kam zum Vorschein, umrahmt von feinen blonden Löckchen, die Augen fest geschlossen, den winzigen Daumen im Mund. Flock sah erst stumm und fassungslos auf das Kind hinunter, dann begannen seine Schultern zu zucken, und Tränen des Glücks schossen ihm in die Augen. Vorsichtig nahm er das schlafende Kind hoch und drückte es an sich, als wolle er es nie wieder loslassen.
    »Ich hab die Amme gefunden, sie ist vor den Schweden aufs Land geflüchtet«, lächelte Kircher. »War gar nicht so einfach. Sie wartet draußen.«
    Heinrich Flock stand auf und ging eine Zeitlang in der Stube hin und her, das Kind in den Armen wiegend. Allein an seiner Haltung konnte man erkennen, wie seine alte Spannkraft zurückkehrte. Dann blieb er stehen und räusperte sich laut. »Sie soll Thea heißen«, verkündete er heiser, aber mit einem Lächeln auf den Lippen. »Gleich morgen lass ich sie taufen. Und sie wird aufwachsen wie eine Prinzessin, das schwöre ich bei Gott und allen Heiligen.«

    Spät am Abend, als Kircher und Flock mit der kleinen Thea längst gegangen und die anderen beiden in ihren Schlafkammern waren, saßen Hanna und Cornelius eng umschlungen in der Stube. Das Herdfeuer war heruntergebrannt; nur noch eine kleine Kerze auf dem Tisch sorgte für Licht. Sie beobachteten schweigend das im Luftzug flackernde Flämmchen; irgendwann lief das flüssige Wachs über, und ein gelblicher Tropfen rann an dem Stumpen herunter. Draußen schrie ein Käuzchen, bis sein Ruf übertönt wurde vom Glockenschlag, der Mitternacht anzeigte.
    Schließlich fasste sich Hanna ein Herz. »Ich will weg«, sagte sie leise.
    »Weg? Wohin?«
    Sie setzte sich auf und sah Cornelius an. »Ich kann in dieser Stadt nicht mehr atmen. Hier war so viel Leid, so viel schreckliches Unrecht.« Ihre Hand suchte seine. »Jedes Mal, wenn ich an einem der leeren Häuser vorbeikomme, sehe ich die Gesichter der
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