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Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Sabine Weigand
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Toten. Manchmal bilde ich mir sogar ein, der Geruch von verbranntem Fleisch hängt noch in den Gassen. Ich träume davon, wieder im Malefizhaus zu sein. Sag, wie sollen wir hier glücklich sein? Die Vergangenheit wird immer einen Schatten auf uns werfen. Vielleicht wird man mir irgendwann wieder das Wort ›Hexe‹ nachrufen. Und ich will nicht, dass unsere Kinder da aufwachsen, wo man an das Böse glaubt und die Menschen im Namen Gottes zu Teufeln werden.«
    Er sah sie lange an und wusste: Sie hatte recht. Ein neuer Anfang, das war es, was sie brauchten nach all dieser schlimmen Zeit. Er nahm ihr Gesicht in beide Hände und küsste sie lange.
    »Ja«, sagte er dann, »lass uns fortgehen.«

Epilog
    Kärnten, Spittal an der Drau.
    Der Mohr humpelte mühsam, auf eine Krücke gestützt, durch den Ort Spittal. Sein Haar war schlohweiß geworden, in sein Gesicht hatten sich tiefe Falten eingegraben. Die Menschen, denen er begegnete, wichen ihm aus; manche sahen ihm mitleidig nach, manche erschrocken. Er sprach mit niemandem, er bettelte nicht, fragte nicht nach dem Weg. Trotz seiner Langsamkeit, seiner schweren Bewegungen, und obwohl er fremd war, schien es so, als habe er ein Ziel.
    Es hatte lange gedauert, bis Caspar herausgefunden hatte, wo sein Herr sich aufhielt, und noch länger, dahin zu gelangen. Jetzt endlich war er angekommen. Man schrieb den 19.März 1633.
    Caspar wusste eigentlich selbst nicht recht, warum er gekommen war. Um dem Fürstbischof zu zeigen, was seine Gnadenlosigkeit aus ihm gemacht hatte, einen Krüppel? Um sich zu rächen? Um Dornheim sein Messer in den Leib zu rammen? Den ganzen Weg nach Süden über hatte er darüber gegrübelt und war zu keiner Antwort gelangt. Aber er hätte auch sonst nicht gewusst, wohin.
    Einen Tag lang lungerte er vor Dornheims Residenz herum und vermied es nach Möglichkeit, gesehen zu werden. Er wusste, man würde ihn nicht einlassen. Aber am Abend, als die Mägde Küchenabfälle zur Hintertür hinaustrugen, gelang es ihm, in einem unbeobachteten Moment das Gebäude zu betreten. Er sah, wohin die Diener die großen Silberkaraffen mit Wein trugen, und humpelte ihnen langsam hinterher. Geduldig wartete er in einem Winkel, bis in der Residenz Ruhe einkehrte. Er hatte alle Zeit der Welt.
    Dann, irgendwann, öffnete er leise die Tür zu den bischöflichen Gemächern. Dornheim stand vor einem Regal mit dicken, ledergebundenen Büchern und hatte eines davon aufgeschlagen in der Hand. Er wandte dem Mohren den Rücken zu. »Ich brauche keinen Wein mehr«, sagte er ohne aufzuschauen. »Und nehmt diese Räucherschale mit den Gewürzen mit, mir wird schlecht von dem Geruch.«
    Dann drehte er sich um. Das Buch fiel zu Boden.
    Caspar hatte schon den Dolch in der Hand. Wie oft hatte er daran gedacht in den letzten beiden Jahren, hatte sich ausgemalt, wie es wohl wäre, diese Klinge in Dornheims Kehle zu stoßen. Doch nun konnte er es nicht. Ihm gegenüber stand ein Mann, der genauso vor den Jahren gealtert war wie er selbst. Von der Leibesfülle des Fürstbischofs war kaum noch etwas geblieben, seine Backen hingen wie leere Säcke unter den Augen, der Hals war faltig wie der einer Schildkröte. Er stand unsicher auf den Beinen, seine Lippen und Hände zitterten. Mit ungläubigem Staunen sah er den Mohren an, sein fahles Gesicht wurde totenblass, als habe er einen Geist erblickt. Ein leises Wimmern kam aus seiner Kehle, und er streckte beide Arme aus, die Zeigefinger zu einem abwehrenden Kreuz übereinandergelegt. Langsam schlurfte er rückwärts, schwankend, die Augen voll Panik. Caspar ließ den Dolch sinken. Er machte einen mühseligen Schritt nach dem anderen auf Dornheim zu. Tränen standen in seinen Augen. Er wollte ihn umarmen, ihm verzeihen. Aber in dem Augenblick, als er ihn berühren wollte, griff sich der Fürstbischof an den Hals. Er schnappte nach Luft, röchelte, seine Hände suchten vergeblich nach Halt. Dann knickten seine Knie ein, und er brach mit quälender Langsamkeit zusammen. Der Mohr stand schreckensstarr, während Dornheim zu seinen Füßen zuckend den letzten Atemzug tat.
    Dann schleppte er sich im Schutz der Dunkelheit aus der Residenz.

    Bamberg.
    Nicht viel später ließ Dornheims Amtsnachfolger, Franz von Hatzfeld, das Bamberger Hexenhaus abreißen, um die Erinnerung an den großen Hexenbrand zu tilgen. Die Malefizkommissare waren nicht mehr im Dienst, sie hatten entweder Ämter auf dem Land angetreten oder geistliche Aufgaben übernommen. Ihre Karriere
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