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Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Sabine Weigand
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in Diensten des Bamberger Fürstbischofs war vorbei. Friedrich Förner, der eigentliche Hexenbrenner, war inzwischen im Alter von 62 Jahren gestorben.
    Im Sommer 1633 fand man den ehemaligen Stadtschreiber Hans Schramm auf dem Dachboden seines neuen Hauses in der Langen Gasse. Er hatte sich am höchsten Balken aufgehängt. In seinem Testament vermachte er das Haus und sein gesamtes Vermögen der Kirche mit der Auflage, dafür in Sankt Martin hundertzwanzig Seelmessen für ihn lesen zu lassen.

    Amsterdam.
    Die »Confidentia« lag mit gerefften Segeln am Pier, aufgeregt umflattert von kreischenden Möwenschwärmen. Es war, als ob die Vögel ahnten, dass die große Reise gleich beginnen würde. Der schmucke Dreimaster war sauber getrimmt, sein Eichenholzrumpf frisch kalfatert und schwarz gestrichen. Jede Auf- und Abbewegung des Seglers in den Wellen ließ die Taue knarzen, mit denen er an vier großen runden Eisenpollern festgemacht war.
    Die Ladung war schon gut verstaut. Den ganzen Morgen hatten die Heuerleute Schnaps- und Krautfässer, Käselaibe, Speckseiten und Unmengen dreifach gebackenen Zwiebacks geschleppt, dazu Tonnen mit Fett, steinharten Trockenfisch, Mehlsäcke und Kisten mit Tabak. Bis an den Rand waren die Laderäume mit Vorräten angefüllt, außerdem mit hundert Musketen neuester Machart, die am Zielort ihre Verwendung finden sollten. Jetzt war alles an Bord, und zwei Männer zogen die Ladeplanke ein. Plötzlich entstand an Land ein kleines Getümmel, dann warf einer die kreischende Bordkatze über die Reling, die einen Ausflug gemacht hatte, aber wegen der stets auf den Handelsschiffen herrschenden Mäuse- und Rattenplage dringend gebraucht wurde. Ein paar Küchenjungen sprangen umher und hoben umherkullernde Zitronen auf, während die Matrosen sich unter Gelächter und Gejohle über den Koch lustig machten, der vergeblich versuchte, einen riesigen Kupferkessel die Treppe zur Kombüse hinunterzubugsieren. Dann ertönte ein langgezogener Pfiff, und alle rannten auf ihre Plätze. Der Kapitän, ein bärtiger, imposanter Mann in blauer Uniform, der bisher, die Pfeife im Mund und in königlicher Haltung, wie ein Pfau über die Planken stolziert war, ließ die Flaggen hissen: Einmal die der Vereinigten Niederlande, dann die der Ostindienkompanie. Auf sein Kommando hin lösten Helfer am Pier die Vertäuung. Dann begannen die Matrosen, flink wie die Affen in die Takelage zu klettern. Als Erstes wurde das Hauptsegel gesetzt, danach fielen mit lautem Rauschen Fock und Besan. Die Menschen an Land begannen zu winken. Wehmütige Abschiedsgrüße und fröhliche Glückwünsche begleiteten die fieberhafte Arbeit der Seeleute an Deck. Das Wasser funkelte, als sich der Schiffskörper behäbig drehte und der Kiel erst langsam, dann immer schneller durch die Wellen pflügte. »Batavia«, schrie der kleinste und jüngste Matrose, der in schwindelnder Höhe auf seinem Posten im Mastkorb hockte, und deutete aufs offene Meer hinaus. »Batavia«, brüllten die Matrosen.

    »So fuhr ich auf der tiefen, weiten See hinaus, mit einem Schiff und dem kleinen Trupp Gefährten, die mich noch nie verließen.« Cornelius murmelte die Zeilen aus Dantes ›Fahrt des Odysseus‹ vor sich hin. Er und Johanna standen auf der Spitze des Vorderdecks, dort, wo der Schiffsrumpf in einem langen hölzernen Stachel auslief. Der Fahrtwind zerrte mit rauen Fingern an Hannas Rock und verwehte ihr Haar, aufsprühende Gischt netzte ihr Gesicht. Ihre Augen glänzten.
    »Dass Schwangere immer heulen müssen.« Toni war zu den beiden getreten, eine stibitzte Zitrone in der Hand.
    »Ich heul ja gar nicht«, sagte sie und blinzelte die Tränen weg.
    Vor ihnen lag die Weite des Meeres und ein fremdes Land. Cornelius trat hinter Hanna, sanft legte er beide Hände auf ihren sich wölbenden Leib. Sie lehnte sich an ihn und sah lächelnd zu ihm hoch. »Auf ein neues Leben«, flüsterte sie, »in einer neuen Welt.«

Nachwort
    Wir alle, die wir in einer »modernen« Gesellschaft leben, beziehen unsere Vorstellung von Hexen und Zauberei aus Mythos und Märchen; sie gehören deshalb in den Bereich unserer Phantasie, des Irrealen. Dies erschwert unser Verständnis dafür, dass es Kulturen gab und heute noch gibt, in denen der Hexenglaube lebendig war und einen wichtigen Faktor im Zusammenleben darstellte. Kaum vorstellbar, dass die Zeit, in der Hexen und Dämonen zum Alltagsinventar unserer eigenen Vorfahren gehörten, noch gar nicht so lange her ist. Erst im Laufe
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