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Die Schwesternschaft des Schwertes - 8

Die Schwesternschaft des Schwertes - 8

Titel: Die Schwesternschaft des Schwertes - 8
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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unterrichtete ihn jeden Morgen im Fechten. Sie hatte nicht nur Spaß daran, sondern es freute sie auch, dass Dennors herablassende Haltung gegenüber kämpfenden Frauen nachließ. Wahrscheinlich war seine Geringschätzung nur der Versuch, seine Scham zu übertünchen, da es ihm wiederholt versagt blieb, seine Lehrerin zu besiegen.
    Allmählich nahm alles eine gewisse Regelmäßigkeit an. Dennor absolvierte seine Morgen- und Abendlektionen, ging nach dem Abendessen in sein Zimmer, und die Frauen versammelten sich verstohlen zu einem Matrixkreis. Der Knabe passte sich der unerwünschten Vormundschaft zwar an, doch sein Verhalten blieb gereizt und rebellisch, so dass er die Geduld der Entsagenden auf eine harte Probe stellte. Bei Dorelle und Mellina, die glaubten, man müsse Kindern gegenüber sanft sein, äußerte sich die Anspannung dadurch, dass sie ihren Unmut an ihren Mitschwestern ausließen. In Shaya kulminierten Frustration und Verletzung an dem Tag, an dem die ansonsten kritiklose Mellina sie wütend ›unerträglicher Herrscherallüren‹ bezichtigte.
    An diesem Abend gelang es den Angehörigen des Matrixkreises, ihren Geist fester zusammenzuschließen als je zuvor: Sie brachten ein Zwergchervinekalb dazu, von seinem Muttertier Nahrung anzunehmen, womit sie mehr oder weniger dazu beitrugen, es vor dem sicheren Tod zu bewahren. Dennoch empfand Shaya keinen Grund zu übermäßiger Freude. Sie nahm die anderen nur bedingt wahr, als höre sie hinter den Bergen das schwache Tosen eines nahenden Tornados.
    Am nächsten Tag schimpfte Lista Dennor aus, weil er gedankenlos durch den Gemüsegarten gerannt war und mehrere fast reife Melonen zertrampelt hatte. Der über den Tadel wütende Knabe drehte sich zu ihr um und schrie: »Lass mich in Ruhe, du böse Zauberin! Ich könnte euch alle fortjagen lassen!« Seine Stimme wurde schrill vor Wut. »Es ist schon schlimm genug, dass ihr widernatürlich seid und anständige Menschen euch nicht dulden!
    Aber ich weiß auch, dass ihr Hexen seid. Ihr seid ein Hexenkreis! Ich sehe euch nachts in meinem Kopf! Da hockt ihr alle um einen Sternenstein herum und tut böse und ungesetzliche Dinge. Wenn ich es erzähle, könnt ihr euch freuen, dass man euch nicht verbrennt!«
    Lista kam in Tränen aufgelöst zu Shaya. Sie war wirklich verängstigt. »Die Dörfler da draußen sind konservativ und abergläubisch. Was ist, wenn er so was tatsächlich herumerzählt?«
    Shaya beruhigte sie. »Ich werde mal mit ihm reden und ihn davon überzeugen, dass er alles nur während der Schwellenkrankheit geträumt hat. Aber wir müssen vorsichtiger sein. Wir versammeln uns erst wieder, wenn er fort ist. Bitte, Avarra, lass es bald sein.«
    Shaya war nicht überrascht, als sie in der Nacht von einem durchdringenden Schrei aus Dennors Zimmer geweckt wurde. Nach solch schwierigen Tagen brach die Schwellenkrankheit häufiger aus.

    Während die Frau aus dem Bett schlüpfte und ein Gewand anzog, lauschte sie nach weiteren Schreien oder dem hysterischen Schluchzen, das manchmal darauf folgte. Doch diesmal war alles still. Dann rief plötzlich eine erschreckte Stimme: »Shaya! Shaya!
    Wach auf!«
    Sie erwischte den Knaben, als er ihr im Korridor entgegenstolperte.
    »Bleib ruhig, Chiyu, es ist alles in Ordnung. Komm, ich bring dich wieder ins Bett.«
    »Nein!« Er wehrte sich und riss sich los. »Meine Großmutter!
    Irgendetwas Schreckliches ist passiert. Sie ist verletzt. Sie stirbt. Wir müssen zu ihr. Wir müssen schnellstens zu ihr.« Seine Augen waren geweitet; panisch riss er an Shayas Arm.
    Die Frau bemühte sich, ihre Müdigkeit abzuschütteln. »Du hast nur geträumt, Dennor. Es war nur ein Alptraum. Beruhige dich doch.«
    »Nein, es ist kein Traum. Du musst mir glauben. Ich habe es gespürt. Ich habe sie in meinem Geist gesehen, mit meinem Laran.
    So, wie ich dich und die anderen im Matrixkreis gesehen habe.«
    Shaya zuckte zusammen. Sie musste ihn ernst nehmen, auch wenn sie sich nicht eingestehen wollte, dass seine Visionen zutrafen.
    »Trotzdem«, sagte sie scharf, »musst du dich beruhigen.
    Selbstbeherrschung ist die oberste Regel all dessen, was ich dich gelehrt habe. Wenn es stimmt, was du sagst, musst du dich beherrschen, um deiner Großmutter zu helfen. Kontrolliere nun deine Gedanken. Zeig mir, was du gesehen hast.«
    Sie stand im dunklen Korridor, nahm Dennors Hände in die ihren und verband ihren Geist mit dem seinen. Wie immer ließ die Sturmhaftigkeit seiner Gedanken sie wanken. Sie
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