Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Titel: Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin
Autoren: Philippa Gregory
Vom Netzwerk:
auf, sein Gesicht war mir sehr nah. Ich konnte das Duftwasser auf seinem Haar riechen, und sein Atem streifte meine Wange. Ich blickte auf seine Lippen. Er war mir nah genug, um mich zu küssen.
    »Ihr müßt gütig zu mir sein«, erinnerte er mich.
    »Ihr seid der König …«, erwiderte ich in ungläubigem Staunen.
    »Und Ihr habt mir versprochen, gütig zu mir zu sein.«
    »Ich wußte nicht, daß Ihr es wart, Majestät.«
    Er hob mich sanft auf und trug mich zum Fenster. Er öffnete es mit eigener Hand, und kühle Luft strömte herein. Ich schüttelte den Kopf und ließ mein Haar in der Brise wehen.
    »Ist Euch vor Schreck schwindelig geworden?« fragte er nun mit sehr leiser Stimme.
    Ich senkte die Augen auf die Hände. »Vor Entzücken«, flüsterte ich, unschuldig und süß wie eine Jungfer bei der Beichte.
    Er neigte den Kopf herab und küßte mir die Hände, erhob sich dann wieder. »Jetzt wollen wir dinieren!«
    Ich blickte zu Anne. Sie band ihre Maske los und beobachtete mich mit einem langen, abschätzenden Blick, dem Boleyn-Blick, dem Howard-Blick: Was ist hier geschehen, und wie kann ich daraus meinen Vorteil ziehen? Es schien mir, als wäre unter ihrer goldenen Maske noch eine weitere wunderschöne Maske und erst darunter die wirkliche Frau. Als ich sie anschaute, warf sie mir ein winziges Verschwörerlächeln zu.
    Der König reichte der Königin den Arm. Sie erhob sich und war so unbekümmert, als hätte sie es genossen, mit anzusehen, wie ihr Mann mit mir schäkerte. Aber als er sich abwandte, um sie fortzugeleiten, hielt sie ein wenig inne und |27| blickte mich mit ihren blauen Augen lange und durchdringend an, als verabschiedete sie sich von einer lieben Freundin.
    »Ich hoffe, Ihr erholt Euch bald von Eurem Unwohlsein, Mistress Carey«, sagte sie sanft. »Vielleicht solltet Ihr Euch in Euer Gemach zurückziehen.«
    »Ich glaube, ihr war nur schwindelig, weil sie nicht genug gegessen hat«, warf George rasch dazwischen. »Darf ich sie zu Tisch führen?«
    Anne trat vor. »Der König hat sie erschreckt, als er die Maske abgenommen hat. Niemand hätte auch nur einen Augenblick lang vermutet, daß Ihr es wart, Eure Majestät.«
    Entzückt lachte der König, und der ganze Hofstaat lachte mit. Nur die Königin hatte bemerkt, daß wir drei Boleyns ihren Befehl so geschickt gewendet hatten, daß ich nun entgegen ihrem ausdrücklichen Wunsch doch am Essen teilnahm. Sie schätzte unsere Stärke ab: Ich war nicht Bessie Blount, die war beinahe ein Niemand. Ich war eine Boleyn, und die Boleyns hielten immer zusammen.
    »Kommt mit uns speisen, Mary«, sagte sie. Die Worte waren eine Einladung, aber es lag keinerlei Wärme darin.
     
    Wir sollten uns hinsetzen, wo es uns gefiel. Die Ritter des Château Vert und die Damen sollten eine bunt gemischte Tischrunde bilden. Kardinal Wolsey, der Gastgeber, saß beim König und der Königin am Tisch. George zog mich neben sich, und Anne rief meinen Ehemann an ihre Seite und lenkte ihn ab, während der König, der mir gegenübersaß, mich anstarrte und ich sorgsam bedacht war, in eine andere Richtung zu schauen. Anne zur Rechten saß Henry Percy von Northumberland. Auf Georges anderer Seite hatte Jane Parker Platz genommen, die mich eingehend musterte, als wolle sie ergründen, wie man es anstellte, eine so begehrte junge Frau zu werden.
    Ich aß nur wenig, obwohl Pasteten, Gebäck und Wild gereicht wurden. Ich nahm nur ein wenig Salat, das Lieblingsgericht der Königin, und trank Wein und Wasser. Während des Essens gesellte sich mein Vater zu uns an den Tisch und setzte |28| sich neben meine Mutter, die ihm rasch etwas ins Ohr flüsterte. Ich sah, wie sein Blick kurz zu mir wanderte, der Blick eines Pferdehändlers, der den Wert eines Fohlens abschätzt. Immer wenn ich aufschaute, bemerkte ich, daß die Augen des Königs auf mich gerichtet waren, und sogar wenn ich den Blick abwandte, war mir noch bewußt, daß er mich anstarrte.
    Nach dem Essen schlug der Kardinal vor, wir sollten uns in den Saal begeben und der Musik lauschen. Anne ging an meiner Seite und dirigierte mich so, daß wir beide auf einer Bank an der Wand saßen, als der König eintraf. Nun konnte er ganz ungezwungen und selbstverständlich bei mir stehenbleiben und sich nach meinem Befinden erkundigen. Und es war nur natürlich, daß Anne und ich uns erhoben, als er an uns vorüberschritt, daß er sich auf die nun frei gewordene Bank setzte und mich einlud, neben ihm Platz zu nehmen. Anne schlenderte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher