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Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Titel: Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin
Autoren: Philippa Gregory
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würden, daß die Zeugung von Nachkommen der Zweck unserer Ehe war, daß Gott uns vereint hatte und kein Mensch uns trennen sollte.
    »Ich kann nicht …«, hob ich an.
    Anne zerrte unsanft an meinem Kleid. »Psst«, zischte sie. Die Staubperlen an ihrer französischen Haube zwinkerten mir zu wie Mitverschwörer.
    »Ich rede mit Carey«, sagte mein Vater.
    George nahm mich bei der Hand. »Wenn du ein Kind bekommst, muß der König sicher sein, daß es seines ist.«
    |31| »Ich kann nicht seine Mätresse werden«, flüsterte ich.
    »Du hast keine Wahl.«
    »Ich kann das nicht«, sagte ich laut. Ich drückte ganz fest die tröstende Hand meines Bruders und schaute über den langen dunklen Holztisch hinweg zu meinem Onkel, der einem Falken glich, dessen scharfen schwarzen Augen nichts entging. »Sir, ich bin zutiefst betrübt, aber ich liebe die Königin. Sie ist eine große Dame, und ich bringe es nicht übers Herz, sie zu hintergehen. Ich habe vor Gott versprochen, treu zu meinem Ehemann zu stehen, und sicherlich sollte ich auch ihn nicht betrügen? Ich weiß, der König ist der König, aber das könnt Ihr doch nicht von mir verlangen? Gewiß nicht? Sir, ich kann das nicht tun.«
    Er antwortete mir nicht. Seine Macht war so ungeheuer, daß er eine Antwort nicht einmal in Erwägung zog. »Was soll man nur mit einem so überempfindlichen Gewissen machen?« fragte er in die Luft über dem Tisch hinein.
    »Überlaßt das nur mir«, sagte Anne schlicht. »Ich kann Mary die Lage erklären.«
    »Ihr seid doch wohl ein wenig zu jung dazu.«
    Sie hielt seinem Blick mit ruhigem Selbstvertrauen stand. »Ich bin am elegantesten Hof der Welt aufgewachsen«, sagte sie. »Und ich bin dort nicht untätig gewesen. Ich habe alles genau beobachtet. Ich habe alles gelernt, was es zu lernen gab. Ich weiß, was hier not tut, und ich kann Mary beibringen, wie sie sich zu verhalten hat.«
    Er zögerte einen Augenblick. »Ich hoffe, Ihr habt die frivole Tändelei nicht aus allzu großer Nähe studiert, Miss Anne.«
    Sie behielt die heitere Gelassenheit einer Nonne. »Natürlich nicht.«
    Ich spürte, wie sich meine Schultern hoben, als wollte ich Anne mit einem Achselzucken abtun. »Ich sehe nicht ein, daß ich machen soll, was Anne mir sagt.«
    Ich war unsichtbar geworden, obwohl es bei der ganzen Versammlung angeblich nur um mich ging. Anne hatte die Aufmerksamkeit aller auf sich gezogen. »Nun, ich vertraue |32| Euch die Aufgabe an, Eure Schwester zu unterweisen. George, Euch auch. Ihr wißt, wie der König mit Frauen umgeht. Haltet Mary immer in seinem Blickfeld.«
    Sie nickten. Einen Augenblick lang herrschte Stille.
    »Ich werde mit Careys Vater sprechen«, erbot sich mein Vater. »William wird es nicht anders erwarten. Er ist kein Narr.«
    Mein Onkel warf einen Blick über den Tisch hinweg zu Anne und George, die neben mir standen, eher Gefängniswärter als Geschwister. »Ihr helft Eurer Schwester«, befahl er ihnen. »Was immer sie braucht, um den König einzufangen, ihr gebt es ihr. Welche Künste ihr fehlen, welche Güter sie braucht, welche Talente ihr noch mangeln, ihr verschafft sie ihr. Wir verlassen uns darauf, daß ihr beide sie in sein Bett bekommt. Vergeßt das nicht. Der Lohn ist groß. Aber wenn ihr versagt, stehen wir alle mit nichts da. Vergeßt das nie.«
     
    Der Abschied von meinem Ehemann fiel mir seltsam schwer. Ich kam in unser gemeinsames Schlafzimmer, als meine Zofe gerade meine Sachen packte, um sie in die Gemächer der Königin zu bringen. Inmitten der Unordnung befand sich mein Mann, auf sein junges Gesicht stand der Schreck geschrieben.
    »Ich sehe, Madam, Euer Stern geht auf.«
    Er war ein gutaussehender junger Mann, dem jede Frau gern ihre Gunst geschenkt hätte. Hätten uns nicht unsere Familien in diese Heirat hineingedrängt und jetzt aus dieser Heirat befohlen, überlegte ich, dann hätten wir einander liebgewinnen können. »Es tut mir leid«, sagte ich verlegen. »Ihr wißt, daß ich tun muß, was mir mein Onkel und mein Vater befehlen.«
    »Das ist mir bekannt«, antwortete er barsch. »Ich muß auch tun, was angeordnet wird.«
    Zu meiner Erleichterung erschien Anne mit ihrem kecken, strahlenden Lächeln in der Tür. »Nun, William Carey! Wie schön, Euch zu sehen!« Es bereitete ihr offenbar größte Freude, ihrem Schwager mitten zwischen den Trümmern seiner Hoffnung auf eine Ehe und einen Sohn gegenüberzustehen.
    »Anne Boleyn.« Er verneigte sich kurz. »Seid Ihr gekommen, um Eurer Schwester
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