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Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Titel: Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin
Autoren: Philippa Gregory
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den steinernen Torbogen, der zu den Ställen führte. Im Schutz des Bogens hielt der König inne und drehte mich zu sich herum. Ich spürte, wie mein ganzer Körper zu prickelndem Leben erwachte.
    »Würdet Ihr es wohl noch einmal vergessen?«
    Ich zögerte. Und dann trat Anne vor und sagte leichthin: »An welches Pferd hatten Eure Majestät denn für meine Schwester gedacht? Ich glaube, Ihr werdet feststellen, daß sie eine gute Reiterin ist.«
    Henry ließ mich los und ging in die Stallungen voraus. George und er schauten sich zusammen ein Pferd an, dann ein anderes. Anne trat an meine Seite.
    »Du mußt ihn an dich herankommen lassen«, sagte sie. »Laß ihn immer näher heran, aber vermittle ihm nie den Eindruck, daß du auf ihn zugehst. Er möchte das Gefühl haben, daß er dich verfolgt, nicht, daß er dir in die Falle geht. Wenn du die Wahl hast, ob du auf ihn zugehst oder wegläufst, wie gerade eben – dann mußt du immer weglaufen.«
    Der König wandte sich um und lächelte mich an, als George einem Stallburschen befahl, ein schönes kastanienbraunes Pferd aus dem Stall zu führen. »Aber lauf nicht zu schnell«, |38| mahnte mich meine Schwester. »Vergiß nicht, er muß dich fangen können.«
     
    An diesem Abend tanzte ich vor versammeltem Hofstaat mit dem König. Am nächsten Tag ritt ich an seiner Seite auf meinem neuen Pferd zur Jagd aus. Die Königin, die am Ehrentisch saß, beobachtete uns beim Tanz, und als wir losritten, winkte sie dem König zum Lebewohl vom Hauptportal des Palastes aus zu. Alle wußten, daß er mir den Hof machte, alle wußten, daß ich ihn erhören würde, sobald man mir den Befehl dazu gab. Die einzige Person, die es nicht wußte, war der König. Er wähnte, die Geschwindigkeit seiner Werbung werde einzig und allein durch seine Begierde bestimmt.
    Einige Wochen später kam im April der erste Zahltag: Mein Vater wurde zum Schatzmeister des königlichen Haushalts ernannt. Auf diesem Posten hatte er Zugriff auf die täglichen Einnahmen des Königs, die er nach seinem Gutdünken verteilen konnte. Mein Vater wartete auf mich, als wir zum Abendessen gingen, und bat mich aus dem Gefolge der Königin zur Seite, um in aller Ruhe mit mir zu reden, während Ihre Majestät, die Königin, zu ihrem Platz am oberen Ende des Tisches schritt.
    »Dein Onkel und ich, wir sind sehr zufrieden mit dir«, sagte er knapp. »Laß dich stets von deinem Bruder und deiner Schwester leiten. Sie berichten mir, daß du dich gut führst.«
    Ich machte einen kleinen Knicks.
    »Das ist erst der Anfang«, erinnerte er mich. »Du mußt ihn auch halten, in guten und in schlechten Tagen, vergiß das nicht.«
    Ich zuckte ein wenig zusammen, als ich diese Worte aus der Trauzeremonie hörte. »Ich weiß«, erwiderte ich. »Ich vergesse es nicht.«
    »Hat er schon irgend etwas gemacht?«
    Ich warf einen Blick in den großen Saal, wo der König und die Königin gerade Platz nahmen. Die Trompeter hatten sich schon aufgestellt, um die lange Prozession von Servierenden aus der Küche anzukündigen.
    |39| »Noch nicht«, antwortete ich. »Nur mit Blicken und Worten.«
    »Und wie reagierst du?«
    »Mit Lächeln.« Ich erzählte meinem Vater nicht, daß ich beinahe trunken vor Wonne war, weil mir der mächtigste Mann im Königreich den Hof machte. Es fiel mir nicht schwer, dem Rat meiner Schwester zu folgen und ihn immer und immer wieder anzulächeln. Es fiel mir nicht schwer, zu erröten und das Gefühl zu haben, daß ich gleichzeitig weglaufen und ihm näherkommen wollte.
    Mein Vater nickte. »Das reicht. Du kannst dich jetzt auf deinen Platz setzen.«
    Ich knickste noch einmal und eilte gerade noch vor den Servierern in den Saal. Die Königin warf mir einen ziemlich scharfen Blick zu, als wolle sie mich zurechtweisen, doch dann schaute sie zur Seite und sah das Gesicht ihres Mannes. Sein Blick war starr auf mich geheftet, während ich durch den Saal schritt und meinen Platz unter den Hofdamen einnahm. Seine Miene war konzentriert, als könnte er sonst nichts hören und sehen, als wäre der gesamte große Saal für ihn zu nichts zerschmolzen, als könnte er nur noch mich in meinem blauen Kleid, mit meiner blauen Haube wahrnehmen, mit dem bebenden Lächeln, das über mein Gesicht huschte, als ich seine Begierde spürte. Die Königin bemerkte die Hitze dieses Blicks ebenfalls, sie preßte die Lippen zusammen, lächelte ihr dünnes Lächeln und wandte die Augen ab.
     
    An jenem Abend kam er in ihre Gemächer. »Wollen wir
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