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Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Titel: Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin
Autoren: Philippa Gregory
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wenn es regnete und er nicht jagen konnte, kam er in die Gemächer der Königin. Dann legte sie ihre Näharbeit oder ihre Lektüre aus der Hand und entließ uns mit einem einzigen Wort.
    Wenn ich mir beim Gehen ein wenig Zeit nahm, konnte ich manchmal noch einen Blick darauf erhaschen, wie sie ihn anlächelte wie sonst niemanden, nicht einmal ihre Tochter, Prinzessin Mary. Einmal, als ich ins Zimmer getreten war, ohne zu wissen, daß der König bei ihr weilte, sah ich ihn wie einen Liebenden zu ihren Füßen sitzen. Sein Kopf ruhte in ihrem Schoß, und sie strich ihm die rotgoldenen Locken zart aus der Stirn und wand sie sich um die Finger, wo sie so strahlend leuchteten wie die Ringe, die er ihr geschenkt hatte, als sie noch eine junge Prinzessin war, deren Haar so hell glänzte wie das seine, und als er dem Rat aller getrotzt und sie geheiratet hatte.
    Ich schlich mich auf Zehenspitzen wieder fort, ehe sie mich gesehen hatten. Sie waren so selten zusammen allein, und ich wollte den Zauber nicht zerstören. Ich machte mich auf die Suche nach Anne. Sie spazierte gerade mit George durch den kalten Garten.
    »Der König ist bei der Königin«, sagte ich, als ich mich zu ihnen gesellte. »Allein.«
    Anne zog fragend eine Augenbraue hoch. »Im Bett?« erkundigte sie sich neugierig.
    |20| Ich errötete. »Natürlich nicht. Es ist zwei Uhr nachmittags.«
    Anne lächelte. »Mußt du aber eine glücklich verheiratete Frau sein, wenn du glaubst, daß man nicht vor Einbruch der Dunkelheit ins Bett gehen kann.«
    George streckte mir seinen freien Arm entgegen. »Sie ist eine glücklich verheiratete Frau«, antwortete er für mich. »William hat dem König erzählt, er habe nie ein lieberes, süßeres Mädchen gekannt. Aber was haben die beiden gemacht, Mary?«
    »Sie saßen einfach nur zusammen«, erwiderte ich. Ich hatte das Gefühl, daß ich Anne die Szene lieber nicht beschreiben sollte.
    »So bekommt sie niemals einen Sohn«, meinte Anne derb.
    »Still«, sagten George und ich gleichzeitig. Wir drei rückten näher zusammen und flüsterten.
    »Sie muß allmählich die Hoffnung verlieren«, vermutete George. »Wie alt ist sie jetzt? Achtunddreißig? Neununddreißig?«
    »Erst siebenunddreißig«, erwiderte ich entrüstet.
    »Hat sie noch Monatsblutungen?«
    »O George!«
    »Ja, die hat sie«, antwortete Anne sachlich. »Aber das nutzt ihr wenig. Es liegt an ihr. Ihm kann man keinen Vorwurf machen, denn sein Bankert mit Bessie Blount lernt schließlich gerade auf einem Pony das Reiten.«
    »Es ist immer noch viel Zeit«, verteidigte ich sie.
    »Zeit, daß sie stirbt und er sich wieder verheiratet?« überlegte Anne laut. »Ja. Ihre Gesundheit ist nicht besonders robust, oder?«
    »Anne!« Diesmal war meine Abscheu echt. »Das ist widerwärtig!«
    George blickte sich noch einmal um, ob sich auch niemand im Garten in unserer Nähe aufhielt. Ein paar Seymour-Mädchen spazierten mit ihrer Mutter umher, doch wir schenkten ihnen keine Beachtung. Die Seymours waren die größten Rivalen unserer Familie im Kampf um Macht und Ansehen bei |21| Hof. Wir taten gern so, als nähmen wir sie überhaupt nicht zur Kenntnis.
    »Abscheulich, aber wahr«, sagte George knapp. »Wer soll denn der nächste König sein, wenn Henry keinen Sohn bekommt?«
    »Prinzessin Mary könnte doch heiraten«, schlug ich vor.
    »Einen ausländischen Prinzen, der dann England regiert? Das würde niemals gutgehen«, erwiderte George. »Und noch einen Krieg um die Thronfolge dürfen wir auf keinen Fall zulassen.«
    »Prinzessin Mary könnte unverheiratet bleiben und selbst Königin werden«, antwortete ich wütend. »Sie könnte das Land regieren.«
    Anne schnaufte ungläubig. »Ach ja«, meinte sie spöttisch. »Sie könnte im Herrensattel reiten und Turniere fechten. Ein Mädchen kann ein Land wie das unsere nicht regieren. Die großen Lords würden sie bei lebendigem Leibe auffressen.«
    Wir drei blieben vor dem Brunnen mitten im Garten stehen. Anne ließ sich mit gekünstelter Anmut am Beckenrand nieder und schaute ins Wasser. Ein paar Goldfische näherten sich ihr hoffnungsfroh, und sie zog den bestickten Handschuh aus und plätscherte mit den langen, schlanken Fingern im Wasser. Mit weit aufgerissenen kleinen Mäulern schwammen die Fische herbei, um an der Luft zu knabbern. George und ich beobachteten Anne, wie sie ihr eigenes bebendes Ebenbild betrachtete.
    »Denkt der König über diese Dinge nach?« fragte sie ihre Spiegelung.
    »Ständig«, erwiderte
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