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Die schweigenden Kanäle

Die schweigenden Kanäle

Titel: Die schweigenden Kanäle
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Kanals und die leisen Zurufe der Bettler. Als die erste Mandoline aufklang, huschte ein Lächeln über sein Vogelgesicht. Er lehnte sich fast wohlig zurück, legte den Kopf an die Hinterlehne und schloß die Augen.
    Musik, dachte er. Was wäre mein Leben ohne Musik! Ich bin doch ein merkwürdiger Mensch … ich könnte töten und nachher Puccini hören. Das ist eine Art von sadistischem Wahnsinn … aber er hat mich so durchdrungen, daß ich glücklich in ihm bin …
    In die Mandoline fiel eine Gitarre ein. Schwermütig zogen die Melodien zu ihm empor. Verdi, dachte Cravelli. La Traviata. Das kleine, arme Hurenvögelchen, das an Schwindsucht stirbt … ›Komm, laß uns fliehen aus diesen Mauern …‹ Sinnig, dachte Cravelli und lächelte breit. Schade, daß es der Dottore oben unter dem Dach nicht hört –
    In der Hotelhalle hatten die Verhöre aufgehört. Die Kommissare waren ebenso erschöpft wie die Gäste; die Polizisten draußen auf der Straße, die noch immer die Menschen abdrängten und um das ›Excelsior‹ eine Kette bildeten, fluchten in bester venezianischer Tradition, und die Boys, Pagen und Kellner, die hinter den großen Rezeptionstisch gedrängt worden waren, durften ihre normale Arbeit wieder aufnehmen, die vorerst darin bestand, den Gästen Stärkungen in Form von allen bekannten Alkoholika zu servieren. Pietro Barnese hockte noch immer in seinem palmenüberdachten Sessel und kühlte sein linkes Auge. Es war nun völlig geschlossen und blaugelb verfärbt. Rudolf Cramer und Ilse Wagner saßen neben ihm und aßen ein paar Schnittchen. Der Hauptkommissar hatte dem großen Partile diese Sondervergünstigung erlaubt und den Küchenchef vom Verhör solange beurlaubt.
    Nun war die Sisyphusarbeit der Polizei kläglich zusammengebrochen. Was Cramer ihnen prophezeit hatte, war eingetreten: Niemand hatte etwas gesehen, alle hatten ein Alibi, keiner kam für den Überfall in Frage, ein Motiv zur Tat hatte ebensowenig herausgearbeitet werden können. Der Kommissar setzte sich seufzend neben Cramer auf das lange Sofa.
    »Sie haben einen Verdacht, Maestro«, sagte er höflich. »Ich weiß, ich weiß … Cravelli! Sagen Sie mir, warum Sie ihn haben.«
    »Er hat meine erste Frau ermordet!«
    »Beweise?«
    »Nein.«
    »Ein faules Ei, Maestro.«
    »Ich weiß es. Darum agiere ich auf eigene Faust.«
    »Und der Erfolg?«
    »Sie werden ihn morgen sehen.«
    »Sie sind siegessicher!«
    »Ja. Wenn Sie ein Sopran wären, würde ich Ihnen gestatten, wie Aida zu singen: Als Sieger kehre heim …«
    Der Kommissar lächelte gequält. »Sie haben Humor, Maestro. Mir ist er vergangen. Erst das Verschwinden dieses Dottore Berwaldt, dann der Überfall …«
    »Sehen Sie darin keinen Zusammenhang?«
    »Schon, schon … aber wer ist es? Halt, nennen Sie nicht den Namen Cravelli!«
    »Dann kann ich Ihnen nicht helfen!«
    »Er würde uns anzeigen, wenn wir ohne Gründe sein Haus durchsuchen. Unsere Gesetze, Maestro …«
    Durch den Dreheingang kam ein eleganter, dunkelhäutiger, gutgekleideter Herr, sah sich um, sprach mit einem der absperrenden Polizisten und kam dann winkend auf die kleine Gruppe unter den Palmen zu. Der Kommissar sprang auf.
    »Taccio!« rief er. »Gehen Sie … mit einem noch nicht bekannten Gauner haben wir genug –«
    »Lassen Sie ihn – er kommt zu mir«, sagte Cramer ruhig.
    »Zu Ihnen, Maestro? Aber –« Der Kommissar unterbrach sich und sah mit halboffenem Mund zu, wie der Bettlerkönig Taccio dem großen Partile vertraulich die Hand gab und ein nasses Taschentuch aus dem Rock zog. Cramer nahm es und entfaltete es. Es war voller Tinte, die einmal eine Schrift gewesen war, aber durch die Nässe zerstört worden war.
    »Es flatterte vorhin in den Canale, Signore«, sagte Taccio. »Ich dachte …«
    Ilse Wagner nahm das Taschentuch. An einer Ecke waren Initialen eingestickt. PB. Peter Berwaldt. Mit einem Zittern gab Ilse das Tuch an Cramer zurück.
    »Es ist von ihm …«, sagte sie tonlos. »Da steht sein Name. PB. Ich kenne diese Taschentücher.«
    Cramer zwinkerte Taccio zu. Dieser verstand und grinste den staunenden und nicht verstehenden Kommissar an.
    »Wo?« fragte Cramer.
    »Am Haus.«
    »Plötzlich?«
    »Kam vom Himmel.«
    »Bereithalten.«
    Taccio trat zurück. Cramer hielt dem Kommissar das Taschentuch hin. Der Polizist zog das Kinn an.
    »Auf dieses Taschentuch wurde etwas mit Tinte geschrieben. Es fiel ins Wasser, und die Schrift verschwamm. Können Ihre Polizeichemiker die Schrift noch
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