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Die schweigenden Kanäle

Die schweigenden Kanäle

Titel: Die schweigenden Kanäle
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ab.
    Cravelli sah blaß und übernächtigt aus. Seine Augäpfel waren gelber als sonst, und unter den Augen hingen dicke Tränensäcke. Er muß etwas für seine Leber tun, dachte Berwaldt. Sein Hausarzt sollte ihm alles verbieten … Alkohol, Rauchen und Frauen! In die Berge sollte er einmal fahren und in einem Diätheim zwei Monate nichts anderes tun als sich auszuruhen und an nichts zu denken.
    Es schien Dr. Berwaldt, als sei Cravelli irgendwie verstört und halte nur mit Mühe seine Fröhlichkeit aufrecht. Am Steuer der ›Königin der Meere‹ stand auch nicht James Patrickson, sondern ein schlanker, junger Italiener in einer weißen Uniform.
    »Allein? Ohne Mr. Patrickson?« fragte Berwaldt, als die Jacht durch den Canale Grande glitt und Cravelli einen Martini mit Gin mixte. Cravelli zuckte leicht zusammen.
    »Signore Patrickson ist heute morgen für ein paar Tage zur Zentrale geflogen. Er hat Dacore mitgenommen. Dem Teufelskerl Dacore ist es gelungen, eine Probe Ihres verfluchten Gases aus dem Glasbehälter abzuziehen und umzufüllen. Mit diesem Muster sind sie los, um der Konzernversammlung einen Schrecken einzujagen.«
    Berwaldt stellte sein Glas abrupt auf den festgeschraubten, weißlackierten Tisch. »Ich weiß nicht, was Sie an der für uns völlig nutzlosen Nebenwirkung finden, Cravelli!« sagte er laut. »Ich habe ein Präparat zur Vernichtung von Krebszellen entwickelt, kein menschentötendes Gas! Das hat sich durch Zufall ergeben!«
    »Aber es ist nun einmal da, und wir müssen mit ihm rechnen! Natürlich ist das zytostatische Mittel vorrangig! Haben Sie die Formeln angefordert?«
    »Ja. Der Brief ist schon unterwegs. Wenn alles normal geht, können die Formeln in vier Tagen eintreffen.«
    »Postlagernd Venedig I!«
    »Wie Sie wünschen! Obwohl ich nicht einsehe …«
    »Das werden Sie sofort, Signore Dottore.« Cravelli ließ sich in einen Sessel neben Berwaldt fallen. Die große innere Erregung schien sich bei ihm zu verflüchtigen. »Es ist klar, daß wir Ihr Labor und die Konkurrenz überwachen lassen –«
    »So klar ist das gar nicht!« rief Berwaldt. Er wollte aufspringen, aber Cravelli hielt ihn am Ärmel fest.
    »Sie wissen nicht, was Ihr unscheinbarer Artikel in der Fachzeitschrift für einen Wirbel ausgelöst hat! Es hatte ein heimliches Wettrennen begonnen … zum Glück für uns und für Sie waren wir die ersten! Wir sind unterrichtet, daß mindestens drei Interessengruppen nach Ihrem derzeitigen Aufenthaltsort fahnden. Man hat Ihre Sekretärin unter fingiertem Namen angerufen, um es zu erfahren. Aber sie hält dicht. Ein gutes Mädchen.«
    »Auf Fräulein Wagner kann ich mich verlassen.«
    »Unsere Branche gilt als seriös.« Cravelli lächelte versonnen. »Aber der Kampf im Hintergrund ist der schonungsloseste, den es gibt. Wissen Sie, daß ich hier nur als Grundstücksmakler bekannt bin?«
    »Was?« Dr. Berwaldt starrte Cravelli ungläubig an.
    »Eine Tarnung, lieber Dottore! Als Grundstücksmakler kann ich überall hinkommen, muß Reisen unternehmen, habe einen großen Interessentenverkehr. Es fällt nie auf, wenn viele Besucher kommen … und selbst die Neugier der Nachbarn erlahmt, weil eben nichts passiert als ein ewiger Besucherstrom im Palazzo Barbarino.«
    »Mir kommt das alles merkwürdig vor, Signore Cravelli …«
    Berwaldt starrte auf den Lido von Venedig, an dessen Badestrand sie langsam vorbeiglitten. Ein Meer von bunten Sonnenschirmen glänzte in der Sonne, ein Gewimmel von Körpern schob sich durch den Sand und in das tintenblaue Wasser. Ein Heer nackter, schreiender Ameisen.
    »Für 25 Millionen Dollar darf Ihnen schon manches unerklärlich vorkommen, Dottore!« lachte Cravelli. »Ich kann Ihnen mit Freude sagen, daß ich Ihnen heute abend den Vertragsentwurf vorlegen kann. Eine Rohfassung nur, über die wir sprechen müssen …«
    Die ›Königin der Meere‹ machte einen weiten Bogen und kehrte nach Venedig zurück.
    Im ›Excelsior‹ holte Dr. Berwaldt einen kleinen Koffer ab. Er enthielt einige Metallkästen mit Objektträgern, auf denen in einzelnen Phasen der Zellverfall einer carcinogenen Zelle festgehalten war. Krebszellen von Mäusen, Ratten, Meerschweinchen, Affen … und Menschen. An Krebs gestorbenen Menschen, deren Tod posthum von Dr. Berwaldt besiegt worden war. Cravelli hatte um dieses Material gebeten, weil es dem Vertrage beigelegt werden sollte.
    Es war das letztemal, daß man Dr. Berwaldt in Venedig sah.
    Von dieser Stunde an verschwand er in den
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