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Die schwarze Kathedrale

Die schwarze Kathedrale

Titel: Die schwarze Kathedrale
Autoren: Charles Palliser
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an die Straßentür geheftet und die Nachricht auf die Schultafel geschrieben haben, mit der sie Perkins in die Falle lockten und dafür sorgten, daß er sich verdächtig machte. Er nahm den Köder und ging nach Hause. Am Freitag abend, als er allein und voller Angst in seiner Zelle saß, wurde ihm dann klar, daß das Päckchen, das er mitgenommen hatte, ihn derart belastete, daß er mit Sicherheit innerhalb weniger Monate am Galgen enden würde.
    Ich glaube, daß die Mörder in dem Augenblick, als ich an die Straßentür kam und die Worte auf dem Zettel las, den sie noch nicht entfernt hatten, gerade dabei waren, dem alten Mann die Kleidung auszuziehen. Als sie mein Klopfen hörten, müssen sie entsetzt gewesen sein, denn sie waren gerade mit dem gefährlichsten Teil ihrer ganzen Unternehmung beschäftigt. Vermutlich schauten sie durch einen Türspalt von der Halle aus in die Wohnküche, und als sie sahen, daß ich nur ein Junge war, beschlossen sie zu warten, bis ich wieder gegangen war.
    Als ich schließlich fortging, hatte ich eine Verzögerung von fast fünfzehn Minuten verursacht, so daß sie nicht mehr die Zeit hatten, den Toten durch den Korridor ins Eßzimmer zu ziehen, wie sie es eigentlich vorgehabt hatten. Deshalb beschlossen sie, ihn da liegen zu lassen, wo er war. (Das war der Grund, warum Fickling so entsetzt über den Gedanken war, ins Eßzimmer zu gehen, als Dr. Courtine den Wunsch äußerte, es zu sehen.) Inzwischen näherte sich Fickling mit Dr. Courtine dem Haus, aber als er das Signal nicht sah, daß ihm zeigen sollte, daß alles in Ordnung war, führte er ihn zu sich nach Hause.
    Sobald ich gegangen war, zog Mrs. Stonex die Kleider ihres Bruders an und räumte das Abendessen weg, wobei sie die Teller beschmierte, damit es so aussehen sollte, als habe Mr. Stonex sie benutzt. Das Essen verpackte sie, damit sie es später mitnehmen konnte. Dann deckte sie den Tisch zum Tee und stellte die Kuchen hin, die sie in den frühen Morgenstunden gebacken hatte und deren Geruch Dr. Courtine zum Haus der Verschwörer geführt hatte. Unterdessen legte ihr Sohn im Studierzimmer seine Kleider ab, damit er das Gesicht seines Onkels zerschmettern konnte, ohne daß sie mit Blut befleckt wurden.
    Die Verspätung mußte sie in Schrecken versetzt haben, weil Slattery nicht zu spät zur Chorprobe kommen durfte, denn seine Anwesenheit bei der Probe und dem Abendgottesdienst sollte ihn ja mit einem unanfechtbaren Alibi versorgen. Mein Auftauchen bedeutete auch, daß ihnen nur noch wenige Minuten blieben, um nach dem Testament zu suchen, was von ausschlaggebender Bedeutung war, wenn nicht die Chorschule statt ihrer selbst den Nutzen aus ihrem Verbrechen ziehen sollte. Deshalb durchwühlten sie nun die Wohnküche. Als sie das Dokument nicht fanden, kam die einfallsreiche Schauspielerin auf die Idee mit dem verlorenen Augenzeugenbericht über den Mord an Freeth, um einen Grund zu haben, ihre Suche direkt unter Dr. Courtines Nase fortzusetzen. In ihrer Eile unterlief ihnen nur ein kleiner Fehler: Sie vergaßen, die Nachricht von der Tafel zu wischen und die Tafel selbst zu verstecken.
    Wenige Minuten nachdem ich gegangen war, eilte Slattery aus dem neuen Dekanat, ging vermutlich noch rasch in ein Wirtshaus, um schnell ein Glas Bier zu kippen, und kam, wie ich bemerkte, weil ich ja zum Fenster hineinspähte, mit nur geringer Verspätung zur Chorprobe. Erst jetzt entzündete seine Mutter die als Signal gedachte Kerze am Eßzimmerfenster, um Fickling zu verständigen, daß er nun mit Dr. Courtine kommen könne.
    Am Ende der Scharade rettete Fickling die ganze Aktion für die Verschwörer, als er auf die Idee kam, daß die Großvateruhr deshalb falsch gehen könnte, weil der alte Mr. Stonex womöglich dasselbe raffinierte Versteck benutze wie er selbst. Auf diese Weise konnte das Testament vernichtet werden, und die Schwester des Opfers erbte das Vermögen.
    Es gibt ein eigenartiges Postskriptum zu diesem Thema. Eine Schweizer Zeitung berichtete, daß die alte Dame, die alle Mitglieder ihrer wohlhabenden Familie überlebt und vermutlich auch den Anteil des Geldes von ihrem Sohn geerbt hatte, den dieser bei der Teilung der Beute erhalten hatte, ohne Testament gestorben war, so daß ihr Vermögen an die schweizerische Staatskasse fiel.
    Am späten Sonnabend vormittag waren alle anderen Jungen nach Hause gegangen. Ich war allein. Bei all der Aufregung hatten Appleton und seine Frau vollkommen vergessen, daß ich existierte. Nach
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