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Die Schwarze Festung

Die Schwarze Festung

Titel: Die Schwarze Festung
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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eine Antwort bekam. »Leutnant Steinberger hier, Hibernationskomplex«, drang eine verzerrte Stimme aus dem Lautsprecher. »Hartmann«, antwortete Hartmann knapp. »Irgendeine Änderung?« »Nein«, antwortete Steinberger, und Hartmann atmete innerlich schon auf. »Nichts. In den letzten vier Stunden waren es neun.« Mit einem sehr tiefen Stirnrunzeln, aber ohne noch ein Wort zu sagen, unterbrach Hartmann die Verbindung. Im Grunde wußte er es längst, aber etwas in ihm weigerte sich immer noch, sich einzugestehen, daß er wohl alle seine Männer verlieren würde; alle, die in den Schlaftanks lagen und darauf warteten, aufzuwachen, und fast alle, die wach waren. In den ersten Tagen nach ihrem ebenso erbitterten wie kurzen und sinnlosen Widerstand gegen die Jared waren mehr als zwei Drittel seiner Männer einfach gegangen. Hartmann wußte, daß sie jetzt in Köln waren, keine wirklichen Menschen mehr, sondern zu etwas geworden, was er nicht verstand, was ihn aber zutiefst erschreckte. Captain Laird hatte versucht, es ihm zu erklären. Sie hatte etwas von Telepathie erzählt, vom Verschmelzen verschiedener Bewußtseine zu einer dritten, anderen Art, aber er hatte nichts von alledem verstanden. Vielleicht hätte er es, hätte er es gewollt. Aber alles in ihm schreckte davor zurück, sich einzugestehen, daß es außer der Welt, die er kannte, und dem Universum der Invasoren, noch eine dritte, unsichtbare Ebene des Seins gab. Tatsache aber blieb, daß seine Männer verschwanden, unaufhörlich einer nach dem anderen. Vielleicht würde es auch nicht aufhören. Vielleicht würden noch einmal zwei Wochen oder zwei Monate oder auch zwei Jahre vergehen, bis auch der letzte Mann zu einem Teil jenes gigantischen Kollektivbewußtseins geworden war, das sich Jared nannte und über Tausende von Körpern verfügte. Vielleicht würde eines Tages sogar er gehen. Der Gedanke ließ ihn frösteln. Er dachte an das kurze Gespräch mit Kyle zurück, und er glaubte das, was der Megamann ihm gesagt hatte: daß es nichts war, wovor er sich fürchten mußte. Es war nicht der Tod, nicht die Veränderung in etwas Fremdes, nicht einmal der Verlust seiner Menschlichkeit, sondern die Verschmelzung zu etwas Neuem, Gewaltigen, das nicht nahm, sondern nur gab. Ja, er glaubte Kyle. Aber er hatte die Jared gesehen. Er hatte den leeren Ausdruck in ihren Gesichtern erblickt, und die Gleichmütigkeit, mit der sie ihr Schicksal hinnahmen; und was er gesehen hatte, das hatte ihn einen geheimen Entschluß fassen lassen: In der Pistole an seiner rechten Hüfte befanden sich neun Kugeln. Eine davon war für ihn. Hartmann verscheuchte auch diesen Gedanken und konzentrierte sich wieder auf den Bildschirm. Zumindest eines glaubte er zu erkennen: Wenn nicht alles, was er jemals als Soldat gelernt hatte, falsch war, dann beobachteten sie die Vorbereitung einer Invasion. Andererseits war das vollkommen unmöglich. Die Zahl der Moroni, die in den letzten Tagen in der näheren Umgebung von Köln eingetroffen waren, mußte in die Zehntausende gehen. Und sie hatten genug Waffen aufgehäuft, um einen kleinen Planeten einzuäschern. Die Vorstellung, daß dieses ganze Aufgebot nur hier war, um es mit einer Handvoll abtrünniger Ameisen und ihren menschlichen Verbündeten aufzunehmen, die nicht einmal Waffen hatten, war lächerlich. »Wieviel Zeit bleibt ihnen noch?« fragte Net. Hartmann blickte auf die roten Leuchtziffern der Digitaluhr, die zwischen den Bildschirmen an der Wand hing. »Nicht ganz sechsunddreißig Stunden«, sagte er. Sechsunddreißig Stunden. Für einige Sekunden hing Nets Blick wie gebannt an den roten Leuchtziffern. Dann fragte sie. »Werden Sie es tun?« Hätte er doch eine Antwort auf diese Frage gewußt. »Ich schätze«, sagte er schließlich ausweichend, »es spielt keine Rolle, ob ich es will oder nicht.« »Danach habe ich nicht gefragt«, sagte Net. »Ich weiß«, knurrte Hartmann. Er fragte sich, ob es ihr Vergnügen bereitete, ihn immer wieder in Verlegenheit zu bringen. Er begriff aber im gleichen Augenblick, wie ungerecht diese Frage war, und entschuldigte sich in Gedanken bei ihr. Die Frage war nicht, ob er es tun würde. Die Frage, die Net bewegte, war, ob sie es tun würde. Wenn er ja sagte, dann nahm er ihr damit einen Teil der Verantwortung ab. Und es spielte überhaupt keine Rolle, daß nicht Net es war, deren Finger auf dem Auslöser lag. Er räusperte sich, wartete, bis sie darauf reagierte und ihn ansah, und sagte
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