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Die Schwalbe, die Katze, die Rose und der Tod - Svalan, katten, rosen, döden

Die Schwalbe, die Katze, die Rose und der Tod - Svalan, katten, rosen, döden

Titel: Die Schwalbe, die Katze, die Rose und der Tod - Svalan, katten, rosen, döden
Autoren: Håkan Nesser
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Niemand wird jemals den Körper dort unten finden, und niemand wird von ihm Rechenschaft bezüglich eines Zelts fordern. Er hat das Auto noch zwei Tage und kann sich eine Fahrt zur anderen Seite gönnen. Sich der Stangen, Schnüre und Hülle in einem anderen Felsspalt entledigen. Oder im Meer.
    Nichts liegt näher auf der Hand. Nichts.
    Er schaut sich noch einmal um. Hebt das große Paket und wirft es über das niedrige Geländer. Es stößt ein paarmal gegen die steilen Wände, bricht durch die trockenen Büsche und verschwindet. Der Raubvogel scheint auf die Geräusche zu reagieren und sucht sich eine neue Position, ein Stück weiter im Westen.
    Er richtet sich auf. Schwer, sich vorzustellen, dass sie das wirklich ist, denkt er. Schwer, bei dem hier wirklich anwesend zu sein.
    Zündet sich eine Zigarette an. Er hat in dieser Nacht so viel geraucht, dass ihm schon die Brust weh tut, aber das ist von untergeordneter Bedeutung. Er steigt ins Auto und setzt seinen Weg den Berg hinauf fort.
    Zwölf Stunden später – während der heißesten Stunde der Siesta – schiebt er die Glastür des mit Klimaanlage versehenen Büros de Reiseveranstalters auf dem großen Marktplatz von Argostoli auf. Sitzt geduldig auf dem klebrigen Plastikstuhl und wartet, während zwei übergewichtige und sonnenverbrannte Frauen der blonden Dame im blauen Kostüm hinter dem Tresen die Mängel ihres Hotels schildern.
    Als er mit der Blonden allein ist, setzt er mit seiner verzweifeltsten Stimme an und erklärt ihr das mit seiner Ehefrau.
    Dass er sie verloren habe.
    Dass sie verschwunden zu sein scheint. Wie vom Erdboden verschluckt.
    Seit gestern am späten Abend, sie wollte noch einmal schnell schwimmen gehen, natürlich könnte es eine ganz natürliche Erklärung dafür geben, aber es beunruhige ihn doch. Sie war noch nie so lange und ohne Bescheid zu geben fort.
    Da sollte man doch etwas unternehmen?
    Sich bei irgendwelchen Behörden erkundigen?
    Oder den Krankenhäusern?
    Oder was tue man in so einem Fall?
    Die Dame bietet ihm ein Glas Wasser an und schüttelt besorgt ihr nordisches Haar. Sie kommt nicht aus seinem Land, aber sie verstehen sich dennoch gut. Müssen nicht einmal Englisch miteinander reden. Als sie sich zur Seite nach dem Telefon beugt, kann er eine ihrer Brüste bis zur Brustwarze hinunter sehen, und ein plötzlicher, ziehender Schmerz durchfährt ihn.
    Und während sie vergeblich versucht, während dieser heißesten Stunde des Tages jemanden am Telefon zu erreichen, überlegt er, wer der andere, von dem seine Ehefrau geredet hatte, wohl sein könnte.
    Derjenige, von dem sie behauptete, ihn zu lieben.

Maardam,
    August bis September 2000

2
    Typisch, dachte Monica Kammerle, als sie den Hörer aufgelegt hatte. So verdammt typisch. Ich hasse sie.
    Sofort holte sie das schlechte Gewissen ein. Wie üblich. Sobald sie einen negativen Gedanken über ihre Mutter dachte, war es zur Stelle und brachte sie dazu, sich zu schämen. Das Gewissen. Diese innere, vorwurfsvolle Stimme, die ihr sagte, dass man nicht schlecht über seine Mutter denken durfte. Dass man eine gute Tochter sein und stützen statt umstürzen musste.
    Einander stützen statt einander umstürzen,
wie sie einmal vor vielen Jahren in einer Mädchenzeitschrift gelesen hatte. Zu der Zeit war ihr das so weise erschienen, dass sie es ausgeschnitten und mit Nadeln über ihrem Bett befestigt hatte, als sie noch in der Palitzerlaan wohnten.
    Inzwischen wohnten sie in der Moerckstraat. Die Vierzimmerwohnung im Deijkstraaviertel – mit hohen Decken und Blick über den Park, den Kanal und das grünspanbedeckte Dach der Czekarkirche – war zu teuer geworden, als sie nur noch zu zweit waren. Dennoch hatten sie noch fast drei Jahre lang nach dem Tod ihres Vaters dort gewohnt; aber zum Schluss war das Geld, das er hinterlassen hatte, unwiderruflich aufgebraucht. Natürlich. Sie hatte die ganze Zeit gewusst, dass sie umziehen mussten, da brauchte sie sich gar nichts vorzumachen. Früher oder später, es hatte nie eine Alternative gegeben. Ihre Mutter hatte es ihr ein oder zwei Mal sehr eingehend und auf ungewöhnlich einfühlsame Weise erklärt, und im Frühling waren sie hierher gezogen.
    In die Moerckstraat.
    Es gefiel ihr nicht.
    Nicht der Name der Straße, der dunkle Straße bedeutete. Nicht das düstere Wohnhaus aus braunen Ziegeln mit drei niedrigen Etagen. Nicht ihr Zimmer, nicht die Wohnung, nicht das sterile Viertel mit den schnurgeraden, engen Gassen, den schmutzigen
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