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Die Schwalbe, die Katze, die Rose und der Tod - Svalan, katten, rosen, döden

Die Schwalbe, die Katze, die Rose und der Tod - Svalan, katten, rosen, döden

Titel: Die Schwalbe, die Katze, die Rose und der Tod - Svalan, katten, rosen, döden
Autoren: Håkan Nesser
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Geruchssinn reichlich abgestumpft.
    Er geht nach drinnen, holt das Päckchen vom Nachttisch und zündet sich noch eine an. Setzt sich dann draußen auf den weißen Plastikstuhl und überlegt, dass sie es trotzdem geschafft haben, fast acht Jahre verheiratet zu sein. Das ist ein Fünftel seines Lebens und bedeutend länger, als seine Mutter vorhergesagt hatte, als er ihr damals erzählte, dass er eine Frau gefunden hatte, mit der es wohl ernst werden würde. Bedeutend länger.
    Obwohl sie ihre Meinung niemals so explizit geäußert hat.
    Als er auch diese Zigarette aufgeraucht hat, hebt er seine tote Ehefrau hoch und trägt sie ins Zimmer. Legt sie quer über das Doppelbett, zieht ihr T-Shirt und Slip aus, bekommt kurz eine Erektion, aber kümmert sich nicht darum.
    Ein Glück, dass sie so leicht ist, denkt er. Wiegt ja fast nichts. Hebt sie wieder hoch, legt sie sich über die Schulter. Wie er sie wohl tragen muss? Er hat nur eine dunkle Vorstellung davon, wie der rigor mortis eigentlich funktioniert, und als er sie wieder aufs Bett kippt, lässt er sie in der gebogenen Form liegen, die sie auf seiner kräftigen Schulter eingenommen hat.
    Falls sie erstarren sollte.
    Dann holt er das Zelt aus der Garderobe, das leichte Nylonzelt, das er unbedingt hatte mitnehmen wollen, und wickelt es um den Körper. Verknotet es mit den vielen Nylonleinen und stellt fest, dass es richtig adrett aussieht.
    Könnte ein Teppich oder so etwas sein.
    Ein Riesendolman.
    Aber es ist seine Ehefrau. Nackt, tot und hübsch verpackt in ein Zweimann-Zelt der Marke Exploor. So ist es und nicht anders.
    Um halb drei Uhr nachts wacht er nach einem kurzen Schlummer auf. Das Hotel scheint in einen dumpfen Nachtschlaf gesunken zu sein, aber immer noch ist der Lärm des Nachtlebens von der Straße und zum Strand hin zu hören. Er beschließt, noch eine Stunde zu warten.
    Genau sechzig Minuten. Trinkt Kaffee, um sich wach zu halten. Die Nacht erscheint ihm wie ein Verbündeter.
    Das Mietauto ist ein Ford Fiesta, keines der allerkleinsten Modelle, und sie hat reichlich Platz im Kofferraum, zusammengefaltet, wie sie ist. Er öffnet die Haube mit der rechten Hand und lässt sie von der linken Schulter hineinrutschen, indem er sich ein wenig vor und zur Seite beugt. Schließt die Kofferhaube, schaut sich um und setzt sich hinters Steuer. Das ging glatt, denkt er. Nicht ein Mensch zu sehen.
    Nicht im Hotel und nicht draußen auf der Straße. Er lässt den Motor an und fährt los. Auf seinem Weg aus der Stadt heraus sieht er drei Lebewesen. Ein mageres Katzengerippe, das sich an einer Häuserwand entlangschleicht, und einen Straßenfeger mit seinem Esel. Keiner von ihnen nimmt auch nur Notiz von ihm. Ganz einfach, denkt er. Zu sterben ist eine ganz einfache Sache. Er hat das theoretisch sein ganzes Leben lang gewusst, jetzt hat er die Theorie in die Praxis umgesetzt. Genau das macht den Sinn des Lebens aus. Es war ihm seit langem klar. Denn die Handlung des Menschen, das ist Gottes Gedanke.
    Auch an die Schlucht hatte er schon lange gedacht, aber ihr Bild verschwimmt in seiner Erinnerung, und so ist er gezwungen, das erste rosa Licht der Morgendämmerung abzuwarten, um den richtigen Ort zu finden. Vor zwei Tagen sind sie auf dem Weg über den Berg von Sami und die Ostseite hier vorbeigekommen, er erinnert sich daran, dass sie anhalten wollte, um genau dieses Fleckchen zu fotografieren, er erinnert sich daran, dass er ihr nachgegeben, sie aber Probleme gehabt hatte, die richtige Kameraeinstellung zu finden.
    Jetzt stehen sie wieder hier. Eigentlich handelt es sich eher um einen Felsspalt, es ist kaum als Schlucht zu bezeichnen. Ein tiefer Felseinschnitt in einer Haarnadelkurve, dreißig, vierzig Meter geht es fast senkrecht nach unten – der Grund verliert sich in einem Wirrwarr dorniger Büsche und Müll, der von weniger rücksichtsvollen Autofahrern aus heruntergekurbelten Seitenfenstern hinausgeworfen wurde.
    Er stellt den Motor ab und steigt aus. Schaut sich um. Horcht. Es ist zehn Minuten nach fünf. Ein früher Raubvogel steht absolut unbeweglich über dem kargen Berghang im Südwesten. Ganz unten in dem V zwischen zwei anderen steinigen Abhängen kann er eine Handbreit Meer sehen.
    Ansonsten Schweigen. Und ein deutlicher Duft von Kräutern, die er kennt, aber nicht benennen kann. Oregano oder Thymian vermutlich. Oder Basilikum. Er öffnet den Kofferraum. Überlegt einen Augenblick lang, ob er sie aus der Zeltplane befreien soll, lässt es dann aber.
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