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Die Schuldlosen (German Edition)

Die Schuldlosen (German Edition)

Titel: Die Schuldlosen (German Edition)
Autoren: Petra Hammesfahr
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gestürzt, was ein böses Ende hätte nehmen können. Auch wenn man das Flüsschen die meiste Zeit im Jahr durchwaten konnte und oft genug nicht mal nasse Knie bekam, war die Greve wegen der Steine im Flussbett tückisch. Franziska fing Helene auf, wiegte sie in den Armen und murmelte unsinnige Trostworte, die von den ebenso sinnlosen Schreien übertönt wurden.
    Heinrich Junggeburt blieb, erst einmal auf Einladung des alten Schopfs. Der hatte eine praktische Ader und blickte den Tatsachen ins Auge. Irgendwer musste schließlich in der Lage sein, die Brauerei weiterzuführen, wenn er selbst das nicht mehr tun konnte. Und wo nun der Sohn nicht mehr unter den Lebenden weilte … Helene konnte wunderschön sticken und Klavier spielen. Sie hatte auch eine lyrische Ader. Die Briefe, die sie ihrem Bruder während der vergangenen Jahre geschickt hatte – Heinrich brachte einige mit zurück –, waren überwiegend in Reimform verfasst. Von Hopfen und Malz dagegen hatte Helene keine Ahnung.
    Und so groß war die Auswahl an ledigen jungen Männern nicht mehr. Man musste nehmen, was kam. Auch wenn zu vermuten war, dass der Betreffende ein paar Macken hatte, weil er eine schwere Zeit nur knapp überlebt hatte, eine unmenschliche Zeit, um genau zu sein. Aber so war es vielen ergangen, und kein Mensch sprach von Traumata oder Psychosen. Wer so was hatte, musste sehen, wie er damit fertigwurde.
    Rein äußerlich war Heinrich ein Typ, an den junge Frauen schnell ihr Herz verloren. Er war groß und schlank, nicht etwa hager, ausgezehrt und hohläugig wie viele andere, die aus der Kriegsgefangenschaft zurückkamen. Seine gute Figur behielt er übrigens auch, als die Portionen auf den Tellern wieder größer und fettiger wurden. Da nannte Helene ihn längst «den eisernen Heinrich».
    Er war gerade gewachsen, körperlich unversehrt, seine Gesichtszüge konnte man als klassisch bezeichnen. Und wenn er Helene anschaute mit diesem nachdenklich verträumt wirkenden Blick, das sah immer aus, als stelle er sich vor, sie ganz langsam auszuziehen und unanständige Dinge mit ihr zu tun. Deshalb verwunderte es nicht, dass er Helene bald zu der Annahme verleitete, er könne sie glücklich machen. Allein auf die Verkupplungsbemühungen ihres Vaters war das nicht zurückzuführen.
    Im September 1951, gute zwei Jahre nachdem Heinrich Junggeburt als Todesbote in die Villa Schopf gekommen war, fand die Hochzeit statt.
    Zu der Zeit war auch Franziska schon in festen Händen. Beim Schützenfest im Frühjahr hatte sie Gottfried Welter kennengelernt und sich Hals über Kopf in ihn verliebt. Er war dreiundzwanzig, sie neunzehn. Schon beim zweiten Rendezvous erklärte er, er würde gerne Tisch und Bett mit ihr teilen, auf eine Heirat brauche sie allerdings nicht zu spekulieren, gewiss nicht auf Kranz und Schleier. Obwohl eine wilde Ehe nicht unbedingt das war, was Franziska für ihre Zukunft vorschwebte, musste sie nicht lange über sein – für die damalige Zeit ungeheuerliches – Ansinnen nachdenken.
    Sie war die Älteste von vier Töchtern, zwölf Jahre älter als die Jüngste. Ihre Mutter war noch nie ein Putzteufel gewesen und am Herd auch nicht sonderlich begabt. Ihr Vater war nach dem Verlust seines rechten Unterarms beim Polenfeldzug zum Tyrannen geworden und trug seine Kriegsversehrtenrente lieber in die Kneipe, statt sein Scherflein zum Haushalt beizusteuern. Franziska hatte daheim nicht nur ihren gesamten Lohn abzugeben. Wenn sie bei Schopfs Feierabend hatte, wartete auch noch ein Berg Arbeit auf sie. Weil sie eben diejenige war, die es bei feinen Leuten gelernt hatte und somit am besten waschen, putzen, bügeln und kochen konnte.
    Da war es bei Gottfrieds Eltern angenehmer und bequemer für sie. Die hatten auch nichts dagegen, dass Gottfried sich «sein Mädchen» ins Haus holte. Aber wenn sie Einwände erhoben hätten, weil damals die Gefahr bestand, wegen Kuppelei angezeigt und bestraft zu werden, Gottfried hätte sich kaum darum gekümmert.
    Er ließ sich von keinem mehr etwas sagen, der ein paar Jahre älter war als er. Es waren schließlich die Älteren gewesen, die lautstark ja gebrüllt und gejubelt hatten, als ihnen der totale Krieg in Aussicht gestellt worden war. Seiner Meinung nach waren sie entweder zu dämlich oder zu autoritätshörig gewesen, um dem Wahnsinn die Stirn zu bieten, also hatten sie ihr Recht verwirkt, jetzt das Maul aufzureißen. Gottfried war ein Rebell und Franziska sehr glücklich mit ihm. Noch glücklicher
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