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Die Schuld einer Mutter

Die Schuld einer Mutter

Titel: Die Schuld einer Mutter
Autoren: Paula Daly
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Kleidungsstücke bedeckten. Als Joanne endlich eintraf, stellten sie sich so entschlossen, so beschützerisch vor Molly, dass Joanne sie nur mit Mühe davon überzeugen konnte, ihr das Kind zu überlassen.
    Die eine, Danielle Knox, erzählte ihr, wie sie den Blick von ihren Flugplänen gehoben und Molly entdeckt hatte, die stumm und zitternd und mit verschränkten Armen dastand, während ihr das Regenwasser über die nackten Schultern und die kindliche Brust lief.
    Sie erzählte, ihr sei die Kinnlade heruntergefallen, als Molly leise und höflich fragte: »Können Sie bitte meine Mum anrufen? Sie müssen unbedingt meine Mum anrufen.«
    Später sagte Molly aus, ein Mann, der so redete wie die Leute in The Darling Buds of May, habe sie in eine Einzimmerwohnung mitgenommen und mehrfach vergewaltigt. Mollys Mutter war ein Fan der Serie und schaute sich sonntagnachmittags die Wiederholungen auf ITV3 an, während Molly vor dem Kaminfeuer lümmelte und ihre Hausaufgaben machte.
    Joanne fragt sich, wie gut Kate und Guy Riverty den Fall noch in Erinnerung haben. Ob sie der armen Molly überhaupt ihre Aufmerksamkeit geschenkt haben, bevor sie sich in dieser Lage wiederfanden, der schrecklichsten aller Lagen, in der ihre Tochter vermisst wird, ihre Lucinda.
    Kate Riverty will von Joanne wissen, ob ihrer Ansicht nach derselbe Mann für beide Verbrechen verantwortlich sei, aber Joanne wiegelt ab: »So weit sollten wir jetzt noch gar nicht denken. Derzeit weist nichts darauf hin, dass wir es mit ein und demselben Täter zu tun haben.«
    Woran sie natürlich selbst nicht glaubt. Aber Joanne weiß, dass keine Mutter unter solchen Umständen die Wahrheit hören will, nicht einmal, wenn sie so beherzt die Tapfere spielt wie Mrs Riverty.
    Außerdem hütet Joanne sich davor, infrage zu stellen, dass Lucinda überhaupt entführt wurde.
    Ein Kind kommt nicht nach Haus? Die Eltern denken sofort an ein Verbrechen.
    Vergessen Sie die Statistiken. Vergessen Sie die vielen Ausreißerinnen. Deutet man den Eltern gegenüber an, es könnte sich möglicherweise gar nicht um eine Entführung handeln, löst man einen Nervenzusammenbruch aus.
    Joanne lässt den Blick durchs Zimmer schweifen und sieht nichts als panische Gesichter. Das Letzte, was sie jetzt gebrauchen kann, ist ein Nervenzusammenbruch.

4
    S itze ich hier seit zehn Minuten mit zwischen den Händen vergrabenem Kopf? Seit einer halben Stunde? Ich weiß es selbst nicht, als mich ein Klopfen an die Seitenscheibe aufschrecken lässt.
    »Alles okay?«, lese ich von den Lippen der Frau ab. Sie ist Jessicas Mutter, und ich kenne ihren Namen nicht. Genauso wenig wie sie den meinen, aber sie ist der mütterliche Typ, der stehen bleibt, wann immer jemand in Schwierigkeiten ist.
    Ich nicke.
    »Sicher?«, hakt sie nach. Ihr Blick hat sich vor Besorgnis verdüstert. Ich muss wirklich furchtbar aussehen.
    Ich nicke wieder, entschlossener diesmal, denn was mir durch den Kopf geht, kann ich keiner Menschenseele erzählen. Noch nicht.
    Sie entfernt sich, nicht ohne mir einen letzten, eindringlichen Kontrollblick zuzuwerfen – geht es mir tatsächlich gut? So sind Mütter nun einmal. Sie kontrollieren. Doppelt, wenn es sein muss. Um sicherzugehen, dass alles in Ordnung ist.
    Alle Mütter, nur ich nicht.
    Ich war so abgelenkt von … wovon eigentlich? Womit war ich so beschäftigt? Denn wenn ich an gestern zurückdenke, will mir partout nichts einfallen. Überhaupt nichts.
    Ich sehe mich um. Kates Auto ist immer noch nicht da. Natürlich nicht. Sie wird heute nicht zur Schule fahren. Sie wird Fergus nicht absetzen, sie wird nicht mit der Schulsekretärin über die Spendensammlung für die Aushilfslehrerin plaudern, die die Schule in den Weihnachtsferien verlässt. Sie wird nicht in der Kiste mit den Fundsachen wühlen und Sweatshirts mit Schullogo ihren rechtmäßigen Besitzern zurückgeben. Sie wird Fergus nicht antreiben: Komm, beeil dich! Raus aus den Stiefeln, mein Sonnenschein!
    Ich lege meine Hände ans Lenkrad. Ich muss von hier verschwinden, ich sollte nicht hier vor der Schule herumstehen. Die Leute fangen an, sich umzudrehen.
    Noch weiß es keiner.
    Noch weiß keiner, was ich getan habe.
    Ich fange zu weinen an. Ich brauche Joe. Ich brauche ihn so, wie ein kleines Kind seine Mutter braucht, wenn es verzweifelt ist. Wenn der Himmel auf es einkracht. Ich brauche ihn, aber ich habe Angst davor, seine Stimme zu hören.
    Schließlich rufe ich ihn auf dem Handy an. Er meldet sich nach dem achten
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