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Die schonende Abwehr verliebter Frauen oder Die Kunst der Verstellung - Soboczynski, A: Die schonende Abwehr verliebter Frauen

Die schonende Abwehr verliebter Frauen oder Die Kunst der Verstellung - Soboczynski, A: Die schonende Abwehr verliebter Frauen

Titel: Die schonende Abwehr verliebter Frauen oder Die Kunst der Verstellung - Soboczynski, A: Die schonende Abwehr verliebter Frauen
Autoren: Adam Soboczynski
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wenn sich die Firma nicht so ernst nehme, mache sie das sympathisch. »Immer die Leute zum Lachen bringen!«,
     sagte der Pressesprecher noch und erzählte, dass vor allem im Kino die Werbung heutzutage sehr anspruchsvoll sei, der darauffolgende
     Hauptfilm würde deshalb häufig enttäuschen.
    Die funkelnden Lügen der Leuchtreklame, die Spots im Fernsehen, die Pop-ups auf dem Computer nehmen wir meist duldsam, bisweilen
     sogar vergnügt hin, ohne ihnen zu glauben. Doch was wir den Firmen, die uns umschmeicheln, gestatten, verachten wir bei unseren
     Mitmenschen.
    »Die ist nicht authentisch!« Dieser Satz ist, mit Verve ausgesprochen, wenig schmeichelhaft. Anja, eine Frau Mitte |37| dreißig, die mit ihrer nur um wenige Jahre älteren Freundin im Café sitzt, hat sich gerade in dieser Weise über ihre Chefin
     geäußert und schüttelt nun verächtlich den Kopf. Es ist Herbst, Laub liegt auf der Straße, aber dank der Heizpilze, die das
     Trottoir säumen, friert es die Freundinnen nur um die Fußgelenke herum ein ganz kleines bisschen. Und da sogar ab und an die
     Sonne durch die Wolkendecke bricht, haben die beiden Frauen ihre großen Sonnenbrillen griffbereit auf den Tisch zwischen die
     Kaffees gelegt.
    Anja arbeitet in einem Meinungsforschungsinstitut und muss sehr viel telefonieren. Umfragen über dies und das. Welche Partei
     am nächsten Sonntag gewählt werden würde, welche Werte den Menschen wichtig seien, zu welcher Uhrzeit sie Lebensmittel einkauften.
     Solche Sachen.
    Die Chefin wurde vor wenigen Tagen auf der wöchentlichen Konferenz darauf angesprochen, dass man in letzter Zeit immer weniger
     zu tun habe. Unter den Mitarbeiterinnen, ein Mann arbeitet nicht in dem Büro, grassiere die Sorge, dass es dem Meinungsforschungsinstitut
     womöglich nicht so gut gehe. Worauf die Chefin, nicht eben souverän, sondern mit leicht zitternder Hand, die jeder deutlich
     wahrnahm, entrückt lächelte und sagte, dies sei nur eine vorübergehende Auftragsschwäche, niemand brauche sich hier um seinen
     Job zu sorgen. Die Chefin, die gerne im straffen Kostüm und mit selbstbewusstem Lachen Politiker und Geschäftsmänner im Institut
     empfing, errötete nach ihrer leicht haspelnd vorgebrachten Antwort, und es wunderte niemanden, dass bereits zwei Tage später
     das nicht unbegründete |38| Gerücht kursierte, dass drei Stellen aus betriebsbedingten Gründen wegfallen sollten.
    Die ältere Freundin, nachdem sie den Bericht der Jüngeren gehört hatte, zeigte sich empört: »So eine Sauerei! Wie verlogen!«
     – »Ja«, sagte Anja, sich mit ihrer rechten Hand flüchtig durch das lange Haar streichend, »die ist nicht authentisch.« Dann
     fügte sie hinzu, dass sie zu den drei Frauen gehöre, die den Betrieb zu verlassen haben. Die Ältere blickte bestürzt, umfasste
     die Hände Anjas. Allerlei Szenen gingen dieser nun durch den Kopf: Wie die Chefin eigentlich schon immer sehr unnahbar gewirkt
     habe, einfach nicht echt, wie so manches Lachen aufgesetzt, mancher Scherz schon immer gekünstelt gewirkt habe. Das Einstellungsgespräch
     tauchte ihr in der Erinnerung auf, damals sagte die Chefin allerhand Schmeichelhaftes, sprach von großen Aufstiegschancen.
     Und der allmorgendliche Satz fiel ihr ein, die Chefin sagte immer nach einer kurzen Besprechung zu allen: »So, Mädels, jetzt
     aber ran an die Arbeit!« Der Satz wirkte immer bemüht und nur mäßig motivierend.
    Ach, hätte die Chefin, deren entbehrungsreiche Karriere sich nicht unvorteilhaft durch markante Falten ins Gesicht gegraben
     hatte, hätte sie doch nur mit einer rührenden Rede, große Betroffenheit bekundend, von den Schwierigkeiten gesprochen, in
     die man geraten sei! Die Mitarbeiterinnen hätten Hochachtung, Respekt gehabt. Wären motiviert gewesen, hätten sich auf harte
     Zeiten eingestellt.
    So aber kann jeder, der mit einem Mindestmaß an Lebenserfahrung ausgestattet ist, vorhersehen, was geschehen wird: |39| Der unauthentischen Chefin wird nicht mehr geglaubt, einige der verbliebenen Telefonistinnen, es sind gerade die besonders
     motivierten, schicken Bewerbungen an andere Unternehmen. Andere, da nun allgemeine Missgunst, ein Kampf aller gegen alle entbrannt
     ist, lassen sich häufig entnervt krankschreiben. Der Vorstandsvorsitzende, dem die Chefin untersteht, fragt sich nun nicht
     ohne Grund, ob diese wohl überfordert sei, warum so ein Durcheinander in ihrem Institut herrsche?
    Und bereits ein halbes Jahr später sitzt die Chefin
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