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Die schönsten Sagen Österreichs (German Edition)

Die schönsten Sagen Österreichs (German Edition)

Titel: Die schönsten Sagen Österreichs (German Edition)
Autoren: Wolfgang Morscher , Berit Mrugalska
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in die Backstube gelaufen und hat uns von dem Vorfall und dem unheimlichen Wesen im Brunnen berichtet. Das konnte der neue Knecht natürlich nicht glauben, und er hat gesagt, die Natter werde er ihr schon heraufbringen, die sich traue, in unserem Hauswasser ein Bad zu nehmen. Nun hat er sich den Strick vom Wassereimer um den Leib gebunden und in die eine Hand eine Laterne genommen, und wir haben ihn vorsichtig in den Schacht hinuntergelassen. Als er wohl auf halber Tiefe war, da wurde die Flamme in der Laterne immer kleiner und mit einem Mal schrie auch er aus Leibeskräften um Hilfe. So schnell wir konnten, haben wir ihn wieder heraufgezogen, aber der Knecht war bereits besinnungslos und wir hatten große Mühe, ihn aus dem Schacht wieder herauszubekommen. Mit Riechsalz, frischer Luft und einem guten Schluck Kräuterwein haben wir ihn schließlich wieder zum Leben erweckt. Und was uns dann der Knecht berichtet hat, davon habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gehört!
    Je weiter er in den Schacht hinunterkam, desto abscheulicher und schlimmer wurde der Gestank, der ihm jeden Atem zu nehmen schien und einen Hustenreiz bei ihm auslöste. Er hat sich sein Halstüchl um den Mund gebunden und nur mehr flach geatmet. Plötzlich hat er unten in der Tiefe des Brunnens ein unbeschreiblich grässliches Tier gesehen. Es hatte die Gestalt eines großen Hahns, aber so groß wie eine Schreckgestalt, mit vielzackigem Schuppenschweif und plumpen, warzigen Füßen. Seine Augen schienen zu glühen und dazu hatte es eine Krone auf dem Kopf. Diese Kreatur muss eine Missgeburt aus der Kreuzung eines Hahns mit einer Schlange oder einer Kröte sein. Und da der Knecht in seinem Leben noch nie etwas so Abscheuliches gesehen hat, hat er auch sogleich die Augen geschlossen und um Hilfe geschrien. Wie wir ihn dann noch oben gezogen haben, da kam es ihm so vor, als wenn allein der Blick dieses Ungetüms genügt hätte, um ihn zu töten und dass bereits sein Blut in den Adern zu stocken angefangen hatte.“
    Die Menge, die während der Erzählung des Müllers immer größer geworden war, hörte gebannt zu, als er aber geendet hatte, da wusste niemand Rat.
    Da trat ein gelehrter und in der Naturwissenschaft erfahrener Arzt hervor und erklärte nun den Leuten, dass es sich bei diesem „Viech“ im Brunnen wohl nur um einen Basilisken handeln könne. Er erklärte weiter, dass ein Basilisk auf wunderbare Weise aus einem Ei entsteht, das ein alter, schwarzer Hahn gelegt hat und das von einer Kröte ausgebrütet wird. Schon der berühmte Naturforscher Plinius beschrieb ein solches Tier und sagte, dass der Blick eines Basilisken so giftig sei, dass jeder, den er ansieht, sterben müsse. Töten kann man ihn aber nur mit seinen eigenen Waffen – man muss ihm einen Spiegel vor die Augen halten, sodass er von seinem widergespiegelten Blick selber sterben muss. Nach diesen Erklärungen gab der Arzt vor, ein Kranker warte auf ihn und er müsse sich schnell auf den Weg machen.
    Nun war guter Rat teuer, denn es war niemand unter den Umstehenden, der sich nochmals in den Brunnen gewagt hätte. Der Stadtrichter musste also eine Entscheidung treffen und gab den Befehl, große Steine und Erde herbeizuschaffen. Dann wurde alles mit einem Schwung in den Brunnen geworfen und der Basilisk wurde von den Massen zerdrückt und erstickt. Doch auch der Bäckerjunge überlebte die Begegnung mit dem Basilisken nicht, er starb noch am selben Tag.
    Zur Erinnerung an das, was in diesem Haus passierte, wurde ein getreues Abbild des scheußlichen Ungeheuers in einer Nische der Hausmauer aufgestellt und mit einer Inschrift versehen.
    Andere wissen zu erzählen, dass der jähzornige Bäckermeister Martin Garhibl seinem Gesellen nicht seine Tochter zur Frau geben wollte und dem Antragsteller spottend ins Gesicht gesagt habe:
    „Erst wenn dieser alte Hahn ein Ei legt, dann sollst du mein Schwiegersohn werden. Ab heute aber kannst du dir einen neuen Arbeitsplatz suchen!“
    Als der gedemütigte Geselle am nächsten Morgen am Hof vorbeiging, mengte er sich unter die Menschenmasse und hörte den Worten des Bäckermeisters zu. Mutig trat er hervor und sagte:
    „Dann ist es also wahr geworden und ich werde hinabsteigen.“
    Und wirklich konnte er mit Hilfe eines großen Spiegels den schrecklichen Basilisken töten, worauf der ekelhafte Kadaver im Brunnen gelassen und mit Sand und Steinen eingegraben wurde. Kurz darauf wurde dann die Hochzeit gefeiert, denn nun konnte der
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