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Die schönsten Erzählungen (Die schönsten Erzählungen / Geschichten) (German Edition)

Die schönsten Erzählungen (Die schönsten Erzählungen / Geschichten) (German Edition)

Titel: Die schönsten Erzählungen (Die schönsten Erzählungen / Geschichten) (German Edition)
Autoren: Lew Tolstoi
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fraß und nur ab und zu mit ihren großen schwarzen Augen zu ihm hinüberschielte. Eins der allerjüngsten, noch saugenden Füllen mit schwarzem Fell, großem Kopf und possierlich zwischen den Ohren emporragendem Schopf und einem Schwänzchen, das noch nach der Seite gebogen war, wie es im Mutterleib gelegen hatte, spitzte die Ohren und starrte aus seinen stumpfen Augen regungslos zu dem hin und her galoppierenden Fohlen hinüber, wobei nicht zu erkennen war, ob es dieses beneidete oder sein Treiben missbilligte. Etliche der jüngsten Fohlen gaben sich, mit den Nüstern stoßend, dem Saugen hin, während andere, weiß Gott warum und ungeachtet der Rufe ihrer Mütter, in kurzem, ungeschicktem Trab in die entgegengesetzte Richtung davonliefen, als suchten sie etwas, und dann unvermittelt stehenblieben und ein verzweifeltes, schrilles Wiehern ausstießen; manche hatten sich gemächlich auf eine Seite niedergelegt, manche versuchten Gras zu fressen, manche kratzten sich mit einem Hinterbein am Ohr. Zwei trächtige Stuten, die sich von der übrigen Herde abgesondert hatten, bewegten sich, bedächtig einen Fuß vor den anderen setzend, langsam fort und fraßen noch immer. Ihrem Zustand wurde allgemein Achtung gezollt, und von den Jungtieren nahm sich kein einziges heraus, sich ihnen zu nähern und sie zu stören. Und wenn es sich der eine oder andere Wildfang dennoch einmal einfallen ließ, bis in ihre Nähe vorzudringen, dann genügte eine einzige Bewegung mit dem Ohr oder mit dem Schweif, um ihm die ganze Ungebührlichkeit seines Benehmens zum Bewusstsein zu bringen.
    Die einjährigen Hengste und Stuten gaben sich den Anschein, schon erwachsen und gesetzt zu sein, und es kam nur selten vor, dass sie umhersprangen und sich einer ausgelassenen Gruppe zugesellten. Sie fraßen, den geschorenen Schwanenhals gravitätisch niederbeugend, manierlich ihr Gras und wedelten, als ob auch sie schon richtige Schweife hätten, mit dem kurzen Schwanzbüschel. Gleich den ausgewachsenen Tieren legten sich manche von ihnen nieder, wälzten sich auf dem Rücken oder rieben sich aneinander. Die lustigste Gruppe bestand aus den zwei- und dreijährigen, noch nicht trächtigen Stuten, die sich fast ausnahmslos beisammenhielten und getrennt von den andern als jungfräulich muntere Schar über die Wiese zogen. Aus ihrer Mitte tönten Getrappel, Aufstampfen, Gewieher und Schnaufen herüber. Sie drängten sich zusammen, legten einander den Kopf auf die Schultern, beschnupperten sich, sprangen umher und galoppierten auch mal mit steil erhobenem Schweif stolz und kokett an ihren Gefährtinnen vorüber und ihnen voraus. Am schönsten und unternehmungslustigsten von diesen jungen Tieren war eine übermütige braune Stute. Was sie anstellte, taten auch die andern; wohin sie sich wandte, folgte ihr auch die ganze Schar der übrigen Prachttiere. An jenem Morgen war dieser Wildfang in ganz besonders ausgelassener Stimmung. Sie war, wie es mitunter auch bei Menschen vorkommt, von einem unbezähmbaren Übermut gepackt. Nachdem sie schon bei der Tränke den alten Wallach zum Narren gehalten hatte, lief sie im Wasser weiter den Fluss entlang, tat dann so, als hätte sie sich über etwas erschreckt, schnaufte und rannte in gestrecktem Galopp ins Feld hinein, so dass Waska ihr und den übrigen Tieren, die sich ihr anschlossen, nachsprengen musste. Nachdem sie ein Weilchen gefressen hatte, wälzte sie sich auf dem Rücken und begann die alten Stuten dadurch zu reizen, dass sie ihnen vor der Nase herumtrippelte; dann drängte sie ein junges Fohlen von seiner Mutter ab und jagte ihm nach, als wollte sie es beißen. Die erschrockene Mutter hörte auf zu fressen, und das Fohlen wieherte jämmerlich, aber die übermütige Stute tat ihm gar nichts, sondern wollte ihm nur einen Schreck einjagen und ihren Gefährtinnen, die ihre Streiche mit wohlgefälliger Anteilnahme verfolgten, ein Schauspiel bieten. Anschließend kam sie auf den Einfall, einen kleinen Grauschimmel zu betören, mit dem ein Bäuerlein weit jenseits des Flusses ein Roggenfeld pflügte. Sie blieb stehen, hob stolz den Kopf, neigte ihn ein wenig zur Seite und stieß ein langgedehntes, lieblich und zärtlich klingendes Gewieher aus. Übermut, Erregung und eine gewisse Wehmut lagen in diesem Wiehern. Aus ihm sprach das Begehren nach Liebe, ihrer Verheißung und die Sehnsucht nach ihr.
    Ein Wachtelkönig hüpfte unruhig im dichten Schilf und rief begehrlich nach seiner Gefährtin; ein Kuckuck und eine
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