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Die schönsten Dinge

Die schönsten Dinge

Titel: Die schönsten Dinge
Autoren: Toni Jordan
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schweißnassem Haar auf, sein Herz war heiß und raste.
    Eines Tages sah sein Vater von seinem Schreibtisch auf, betrachtete seinen Sohn – blass, ängstlich, pummelig – und wusste, es musste etwas geschehen. Camping, erzählt Daniel, war eine Art geheimer Männlichkeitstrank, den Generationen von Metcalfs gebraut hatte. In der Dunkelheit lernte man, Mut zu zeigen, beim Aufbau des Zeltes den Umgang mit Hammer und Hering, und das Wandern im Busch stärkte die Muskeln, die irgendwann (hoffentlich bald) den hartnäckigen Babyspeck verdrängen würden.
    An dem Wochenende, das Arnold Metcalf ausgesucht hatte, wurde es kalt, der Winter war früh in den Wilsons Promontory eingezogen. Der Zeltplatz, kaum fünfzig Meter vom Auto entfernt, bestand aus ein paar Flecken ausgetretener Erde zwischen armseligen Grasstreifen und einer Toilettenanlage in Gefängnisgrau.
    Arnold blieb stehen und überlegte. »Nein«, sagte er. »Gemähtes Gras? Ein Toilettenhaus?« Er hakte die Daumen unter die Gurte seines Rucksacks und lief weiter. Zu dem Weg am anderen Ende, tiefer in den Wald hinein, vorbei an Schildern mit Aufschriften wie Ab hier Zelten verboten und Zelten nur in ausgewiesenen Lichtungen erlaubt.
    Schließlich suchte Arnold eine kleine, feuchte Lichtung aus, kaum groß genug für ein Zelt. Die Stelle lag im Schatten, der Boden war von einer dicken Schicht aus totem Laub und Büschen überzogen. Danny sah seinem Vater dabei zu, wie er das Zelt aufbaute, und stellte sich einen Teppich aus schwarzen Spinnen vor, die nur darauf warteten, sich auf seine ungeschützten Knöchel zu stürzen.
    Es war sehr spät. Danny hätte eigentlich eingekuschelt in seinem Tom-und-Jerry-Pyjama schlafen sollen, erschöpft von dem weiten Weg und seinem inbrünstigen Schmollen. Draußen war es eiskalt. Und dunkel. Denk nicht daran , dachte er. Schlaf wieder ein. Hätte er doch nur nicht zu den kalten weißen Dosenbohnen zum Abendessen die warme Limo getrunken.
    Aber der Druck in Dannys Blase wurde immer schlimmer. Arnold schlief tief und fest. Aus einem Nasenloch drangen ein langgezogenes, leises Pfeifen und ein kurzes Schlürfen. Danny traute sich nicht, seinen Vater zu wecken. Ihm blieb keine andere Wahl. Er musste sich draußen unter einen Baum stellen. Im Dunkeln.
    Danny krabbelte aus seinem Schlafsack, zog seine Turnschuhe an und kroch zum Zelteingang. Er hob die Klappe hoch und spähte hinaus. Nichts. Der Mond steckte hinter dicken Wolken, und die Bäume, die er den ganzen Nachmittag über gesehen hatte, hatten in der Schwärze der Nacht ihre Form verloren – im Dunkeln konnte sich alles Mögliche verstecken. Danny krabbelte zurück und setzte sich wieder auf den Schlafsack. Er legte sich hin und schloss die Augen. Dann stürzte er blindlings zum Zelteingang und schlingerte auf allen vieren nach draußen. Die tiefe Finsternis wirkte bedrohlich. Die Nacht, die so viel verbarg, lastete schwer auf ihm.
    Er war nicht sicher, welche Richtung er einschlagen sollte. Langsam tastete er sich vor, während von überall Geräusche kamen. Die Bäume rochen feucht, Blätter raschelten. Schließlich spürte er, dass er genug Platz hatte, um aufzustehen, zog seine Schlafanzughose ein Stückchen herunter und zielte in die Dunkelheit. Die Erleichterung war so groß, dass ihm fast die Knie weich wurden. Kaum war er fertig, teilten sich die Wolken, als wollten sie seinen Mut belohnen, und ließen einen Lichtstrahl auf den Weg fallen, als er gerade seine Hose richtete und gehen wollte.
    Da hörte er dicht hinter sich im Busch ein Geräusch. Etwas schnüffelte dort und bewegte die Sträucher und das Laub auf dem Boden. Es klang nicht nach etwas Kleinem, wie einer Schlange, einer Spinne oder einer Maus. Dieses Geräusch stammte von etwas Großem.
    Danny erstarrte. Es war ein Drachen, der Letzte seiner Art, der Feuer spie und ihn lebendig fressen wollte. Es war ein Wildschwein, dem Blut von den Hauern troff.
    Dannys Herz schlug schneller, es war, als würde sein Hirn seinem Körper von weit oben zurufen, er solle kreischend zurück zum Zelt rennen, so schnell er konnte. Aber das tat er nicht. Obwohl es seinem Instinkt widersprach, seinem Wesen und seiner Erfahrung, wandte Danny langsam den Kopf und sah hin.
    Im Dunkeln konnte er im Busch ein Paar leuchtende Augen ausmachen. Teufelsaugen, die ihn unverwandt
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