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Die schönsten Dinge

Die schönsten Dinge

Titel: Die schönsten Dinge
Autoren: Toni Jordan
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quietscht, als ich sie öffne. Drinnen ist es dunkel und verstaubt, trotzdem finde ich mich in dem Gang zurecht, der an dem Arbeitszimmer meines Vaters vorbeiführt. Ich berühre den Türknauf, aber weil ich es nicht ertragen könnte hineinzugehen, klettere ich durch die Falltür nach oben. In diesem Haus wurde ich geboren, bin ich aufgewachsen und habe ich mein Handwerk erlernt. Hier leben all meine Erinnerungen. Ich will jede Oberfläche berühren, jeden Gegenstand in die Hand nehmen.
    Mir fallen die kleinen Dinge ein: die Schokoriegel, die Onkel Syd mir mitgebracht hat, als ich klein war, und wie Ava meinen Salat mit Mayonnaise angemacht hat statt mit der Vinaigrette, die alle anderen mochten. Sogar Greta. Ich muss daran denken, wie wir mit unseren Puppen gespielt und mit einem Betttuch über den Stühlen im Esszimmer Höhlen gebaut haben. Mit Anders und Beau bin ich hinten im Garten auf die Bäume geklettert, und wer es am höchsten geschafft hat, hatte gewonnen. Die Erinnerungen an Julius und Sam, Ruby und meinen Vater sind noch intensiver. Wenn ich mich darauf einlassen würde, könnte ich nicht mehr aufhören. Ich würde ewig hier stehen, mich nicht mehr rühren können und verstauben.
    Und es ist nicht nur das Haus, es sind nicht nur diese Menschen. Ich habe es schon lange vermutet, jetzt weiß ich: Wir sind selbst so etwas wie Tasmanische Tiger. Wir sind ausgestorben. Die glanzvolle Zeit, die mein Vater erlebt hat, ist Vergangenheit. Früher waren wir schön und elegant. Wir haben Luftschlösser gebaut mit nichts als unserer Phantasie. Unsere Stelle haben Verbrecherbanden eingenommen, die persönliche Daten hacken oder so unglaubwürdige Mails verschicken, dass nur durch die riesigen Mengen überhaupt jemand anbeißt. Dafür braucht man doch nichts zu können. Es hat schon seine Richtigkeit, dass wir abtreten.
    Plötzlich fällt mir in einer dämmrigen Ecke der Lieblingssessel meines Vaters auf. Ein Schatten ist darin zu erkennen. Da sitzt jemand. Mir sacken fast die Knie weg: Es ist, als würde der Geist meines Vaters dort sitzen und mich beobachten. Blinzelnd gehe ich einen Schritt darauf zu. Es ist nicht mein Vater. Es ist Daniel.

M ein erster Gedanke ist, wegzulaufen, wie ich es schon einmal getan habe. Die Haustür ist von außen versperrt, aber ich könnte zurück durch die Falltür klettern und zwischen den Bäumen hindurch zur hinteren Mauer rennen. Ich bin fitter als beim letzten Mal. Drahtiger. Und meine Kleidung eignet sich eher für eine Flucht. Aber meine Arme fühlen sich schwer an, meine Augen feucht, und ich kann einfach nicht mehr weglaufen. Letztes Mal bin ich ihm entkommen, aber ich träume immer noch jede Nacht von ihm, also was hat es mir gebracht? Ich komme nicht von ihm weg. Es hat keinen Sinn, es zu versuchen. Ich lehne mich an die Wand und schließe die Augen.
    Â»Hallo, Della«, sagt er.
    Ich schüttle den Kopf. Das ist genauso unmöglich wie, dass dort der Geist meines Vaters sitzen und mit mir reden würde. Ich war so vorsichtig. Ich war immer vorsichtig.
    Â»Wie hast du mich gefunden?«
    Â»â€ºHallo, Daniel‹«, sagt er. »›Lange nicht gesehen. Was hast du so gemacht, seit ich dich in deinem Zimmer eingeschlossen habe und mitten in der Nacht aus dem Haus gerannt bin?‹«
    Sein Körper. Jede Faser, jedes Härchen. Wenn ich fünf Schritte gehen und die Arme ausstrecken würde, könnte ich ihn berühren.
    Â»Ich habe deine Schuhe und deine Unterwäsche in meinem Auto. Es steht um die Ecke, falls dir nach einem Aschenputtelmoment ist.«
    Er hat die Ellbogen auf die Armlehnen gestützt und entspannt die Fingerspitzen aneinandergelegt, aber jetzt beugt er sich vor. »Mein Gott, bist du dünn. Ich habe mir dich hundert Mal am Tag vorgestellt, aber so hast du nicht ausgesehen.«
    Ich betrachte meine Hände, meine Jeans. Arbeitsstiefel, um Himmels willen. Er hat sich eine Frau mit einem grünen Kleid und schwarzen Pumps vorgestellt, einen völlig anderen Menschen. Ich lasse mich ihm gegenüber auf das Sofa sinken und presse die Hände an die Stirn.
    Â»Du kannst diese Adresse nicht kennen. Uns hat noch nie jemand gefunden. Es gibt nichts, was dich auf diese Spur hätte bringen können. Ich verstehe das nicht.«
    Â»Details. Ach so. Du willst also über Details reden«, sagt er. »Von mir aus. Es waren die
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