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Die Schönen und Verdammten

Die Schönen und Verdammten

Titel: Die Schönen und Verdammten
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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Probleme des Lebens zu verbringen. Das Ding heißt kurz und knapp Die Frau. Ich nehme an, sie wird dafür »bezahlen«.
    ANTHONY Mein Gott! Handelt es davon? Lass uns wieder ins Follies gehen.
    MAURY Ich bin’s leid. Ich hab’s schon dreimal gesehen. Zu DICK Beim ersten Mal sind wir nach dem ersten Akt gegangen und haben eine ganz unglaubliche Bar gefunden. Als wir zurückkamen, sind wir ins falsche Theater geraten.
    ANTHONY Hatten einen längeren Streit mit einem ängstlichen jungen Paar, von dem wir glaubten, es säße auf unseren Plätzen.
    DICK als spräche er mit sich selbst Ich glaube – wenn ich einen weiteren Roman und ein Theaterstück und vielleicht einen Band mit Kurzgeschichten geschrieben habe, nehme ich mir eine musikalische Komödie vor.
    MAURY Ich weiß – mit intellektuellen Texten, die niemand interessieren. Und sämtliche Kritiker werden stöhnen und murren: »Der gute alte HMS Pinafore. « Und ich werde weiterhin leuchten – eine glänzend sinnlose Gestalt in einer sinnlosen Welt.
    DICK wichtigtuerisch Kunst ist nicht sinnlos.
    [38] MAURY An sich schon. Nur insofern nicht, als sie versucht, das Leben weniger sinnlos zu machen.
    ANTHONY Mit anderen Worten, Dick, du spielst für ein Publikum von Geistern.
    MAURY Gib ihm bitte eine gute Vorstellung.
    ANTHONY zu MAURY Nein, ich finde, weshalb schreiben, wo die Welt doch sinnlos ist? Der bloße Versuch, ihr einen Zweck zu liefern, ist zwecklos.
    DICK Selbst wenn ich all dem zustimme, sei ein anständiger Pragmatiker und gönne einem armen Mann den Willen zu leben. Soll etwa jeder diesen spitzfindigen Blödsinn akzeptieren?
    ANTHONY Ja, ich glaube schon.
    MAURY Nein, Sir! Ich glaube, dass jedermann in Amerika, bis auf ein auserwähltes Tausend, gezwungen werden sollte, ein äußerst rigides Moralsystem zu akzeptieren – zum Beispiel das der römisch-katholischen Kirche. Ich beklage mich ja nicht über konventionelle Moral. Vielmehr beklage ich mich über jene mediokren Ketzer, die begierig die Erkenntnisse der Spitzfindigkeit aufgreifen und eine Pose sittlicher Freiheit einnehmen, zu der ihre Intelligenz sie durchaus nicht berechtigt.
    In diesem Augenblick trifft die Suppe ein, und was MAURY noch alles von sich gegeben hätte, geht für alle Zeiten verloren.
    [39] Nacht
    Hinterher suchten sie einen Schwarzhändler auf und erstanden für viel Geld Sitzplätze für eine neue musikalische Komödie namens Es geht hoch her. Im Foyer des Theaters warteten sie einige Augenblicke, um das Premierenpublikum hereinströmen zu sehen. Da gab es vielfach mit farbiger Seide oder Pelz besetzte Abendmäntel; von Armen, Hälsen und weißen oder rosa Ohrläppchen herabhängendes Geschmeide; den breiten Schimmer unzähliger Seidenhüte; Schuhe von Gold und Bronze und Rot und glänzendem Schwarz; hochgesteckte, festverpackte Coiffuren vieler Damen und glattes, angefeuchtetes Haar gepflegter Herren – vor allem aber das Auf und Ab, das Geplapper und Gegluckse, das Schäumen und gemächlich heranrollende Wogen dieses heiteren Menschenmeers, das seinen glitzernden Wasserschwall an diesem Abend in den künstlichen See des Gelächters lenkte…
    Nach dem Stück trennten sie sich – Maury ging zu einem Tanz ins Sherry’s, Anthony heimwärts und zu Bett.
    Langsam bahnte er sich seinen Weg durch das Gewühl der abendlichen Menge auf dem Times Square, den das Streitwagenrennen und seine tausend Satelliten vor lauter Ausgelassenheit selten schön, licht und intim erscheinen ließen. Um ihn her wirbelten Gesichter, ein Kaleidoskop von Mädchen, hässlich, hässlich wie die Sünde – zu fett, zu mager –, und doch schwebten sie in dieser Herbstluft wie auf ihrem eigenen warmen und leidenschaftlichen Atem, der sich in die Nacht ergoss. Hier, dachte er, wirkten sie bei aller Gewöhnlichkeit auf zarte, feine Weise geheimnisvoll. [40] Vorsichtig atmete er ein, nahm in seine Lungen Parfüm und den nicht unangenehmen Duft vieler Zigaretten auf. Er suchte den Blick einer dunkelhaarigen jungen Schönen, die allein in einer geschlossenen Droschke saß. Im Zwielicht verhießen ihre Augen Nacht und Veilchen, und einen Augenblick lang besann er sich wieder auf jenen halbvergessenen Abstand am Nachmittag.
    Zwei junge Juden gingen an ihm vorüber, sie unterhielten sich mit lauter Stimme und reckten ihre Hälse hierhin und dorthin, um ebenso einfältige wie hochmütige Blicke um sich zu werfen. Sie trugen übertrieben enganliegende Anzüge, wie sie damals halbwegs Mode waren; ihre
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