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Die schoenen Muetter anderer Toechter

Die schoenen Muetter anderer Toechter

Titel: Die schoenen Muetter anderer Toechter
Autoren: Miriam Muentefering
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Lena.
    Wie ich erwartet hatte, stand sie mit Nancy zusammen in ihrer Wohnung und malte in Hüfthöhe mit Schablonen filigrane Muster auf die farbenfroh gestrichenen Wände. Als ich so unerwartet vor der Tür stand, konnte ich ihr ansehen, dass sie sich über ein paar zusätzliche Helferinnenhände freute. Leider hatte sie ihre Rechnung nicht mit Nancy gemacht. Der war nach der aufgeflogenen Manuskriptgeschichte meine Gegenwart derart unangenehm, dass sie sich nach wenigen Minuten unter einem fadenscheinigen Vorwand verdrückte.
    Lena strich sich mit farbverschmierten Händen ein paar dunkle Strähnen aus dem Gesicht. Sie hatte sich ein helles Leintuch um den Kopf gebunden und sah in ihrer verdreckten Arbeitskleidung und dem schon frühsommerlich gebräunten Gesicht hinreißend aus.
    Eine plötzliche Idee flog über ihre Miene, willkürlich und fröhlich. Sie legte die Arme um meinen Hals, und ihre Lippen näherten sich schon den meinen. Aber mein Kopf drehte sich wie von selbst zur Seite. Ich wollte keine Küsse mehr von ihr.
    »Lena, bitte. Was machst du denn da? Wir sind uns doch beide im Klaren darüber, dass aus uns kein Paar wird. Also lass uns mit so was aufhören.«
    Lena hielt sich an mir fest, und ich konnte durch ihren warmen Körper spüren, wie viele Träume in ihr bisher noch ungeträumt geblieben waren.
    »Tut mir leid«, murmelte sie an meine Schulter. Ich wusste nicht genau, was ihr leid tat. Aber im Grunde war das auch egal. Mir tat es auch leid. »Wusstest du das von Anfang an?«
    »Wenn ich ehrlich zu mir gewesen wäre, hätte ich es wissen müssen. Aber ich hab mir lieber etwas vorgemacht. Manche Träume sind eben sehr süß.«
    Lena lächelte geschmeichelt und strich sich die dunkle Strähne erneut aus dem Gesicht. Ihre positive Stimmung schien mir eine überaus günstige Gelegenheit für mein Vorhaben.
    »Lena, ich möchte dir gern etwas sagen. Aber ich weiß nicht so recht, wie. Ich meine …«
    Innerhalb von Sekunden wechselte ihre Miene von ›Alles in Ordnung‹ zu ›Düsterste Vorahnungen‹.
    »Hat es was mit Mama zu tun?«
    Ich straffte alle meine Muskeln und wappnete mich für jede erdenkliche Reaktion ihrerseits: »Angela und ich haben eine Nacht miteinander verbracht.«
    »Was hast du?«
    »Nicht ich ! Ich war es nicht allein. Angela hat auch …«
    »Verschon mich!«, rief Lena und warf ihren Pinsel im hohen Bogen auf den mit Zeitungspapier ausgelegten Boden. Ein Farbspritzer verzierte fröhlich die frisch gestrichene Wand. Sie achtete nicht darauf. »Verschon mich bitte mit jeglichen Ausführungen! Das fehlt mir noch! Weißt du eigentlich, dass du meine letzte Hoffnung, dass unsere Familie wieder zusammenkommt, damit zerstört hast?«
    Am liebsten hätte ich sie gepackt und geschüttelt. Ich rief alle meine friedlichen Almgedanken herbei, zu denen ich fähig war und atmete tief durch.
    »Du irrst dich«, sagte ich dann ruhig. »Dass deine Eltern sich getrennt haben, hat gar nichts mit mir zu tun. Vielleicht hat es auch noch nicht mal so wahnsinnig viel mit der Affäre deines Vaters zu tun. Sie haben sich auseinandergelebt. Sie lieben sich nicht mehr. Aber das bedeutet nicht, dass sie dich nicht mehr lieben!«
    Lena sah mich an. Ihre Augen schimmerten.
    »Was weißt du schon davon?«, würgte sie schließlich heraus und sank auf den Boden.
    »Ich hab auch Eltern. Und damals fand ich ihre Scheidung auch nicht besonders lustig. Aber ich hatte nicht das Gefühl, dass sie auch mich verlassen.«
    Lena starrte gedankenversunken an mir vorbei. Ihr Gesicht drückte einen Widerstreit der Gefühle aus, und für einen kurzen Moment siegte ein letztes Mal das Kind in ihr, das sich ungerecht behandelt fühlte, weil ihm etwas genommen wurde. Sie schlug mit der Hand auf den Boden.
    »Hab ich es doch gewusst! Sie ist so komisch um mich rumgeschlichen. ›Lenachen hier‹ und ›Lenachen da‹. Aber eins sag ich dir: Jetzt hat es sich ausgelenachend! Ich lass mir nicht länger gefallen, dass sie sich so in mein Leben einmischt!«
    »Ach?«, machte ich ironisch. »Aber du darfst selbstverständlich in ihrem Leben Schicksal spielen, oder?«
    Lena wusste sofort, was ich meinte. »Dieses dämliche Essen war ein Versuch, unsere Familie wieder zusammenzubringen!«, fauchte sie. Ich konnte ihren tiefschwarzen Augen ansehen, dass sie getroffen war. Schon im nächsten Augenblick senkte sie den Kopf, und Tränen rannen hinter dem dichten Vorhang ihrer Haare hervor, tropften mit leisem Plopp von ihrer Wange auf
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