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Die schoenen Muetter anderer Toechter

Die schoenen Muetter anderer Toechter

Titel: Die schoenen Muetter anderer Toechter
Autoren: Miriam Muentefering
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recht. Das hätte nicht passieren dürfen.«
    Wir schwiegen ein paar Minuten und dachten über das Dilemma nach, das sich uns nun bot.
    »Aber, verdammt noch mal, soll ich denn jetzt so elendig dafür büßen, dass ich einen Fehler gemacht habe, von dem ich zu dem Zeitpunkt noch gar nicht wusste, dass es ein Fehler war? Was war schon dabei? Wir waren beide solo und wollten doch nur …«
    »Du warst leichtfertig«, warf Ellen mir vor.
    »Nein. Ich wollte sie wirklich.«
    »Du wolltest sie vielleicht in deinem Bett haben. Aber du wolltest sie nicht mit Haut und Haar. Du wolltest sie nie im Leben, so wie du jetzt Angela willst, es hatte nicht die gleiche Dimension. Das kannst du mir nicht erzählen. Du warst geblendet von einer irrwitzigen Idee. Wie konnte das nur passieren?«, fragte Ellen sich und mich.
    Ich wusste leider keine Antwort.
    »Warst du für kurze Zeit blind? Ich hätte dir sofort sagen können, dass aus Lena und dir kein Paar wird. Es war ganz deutlich zu erkennen. Sie ist eine sehr attraktive Frau, hübsch, klug, witzig. Aber sie ist nichts für dich und deine Alm, meine Liebe.«
    »Und Angela?«, fragte ich zaghaft. Ich wollte so gern, dass sie mir sagte, dass sie für Angela und mich eine große Chance sah, dass sie glaubte, dort sei eine gewaltige Liebe soeben im Entstehen.
    Ellen wusste, dass ich darauf wartete, aber sie seufzte nur.
    »Sie ist nicht bis zum Morgen geblieben«, murmelte sie dann und fuhr lauter fort: »Tatsache ist, dass Angela zu recht unsicher ist. Versetz dich mal in ihre Lage. Theoretisch sieht es so aus, als würde sie ihrer Tochter die Freundin ausspannen. Wirklich böse Familienverhältnisse!«
    Ich schluckte.
    Ellen starrte mich an. Ihre hellen Augen tauchten in mich hinein. Von diesem durchdringenden Blick hatte ich mich schon früher oft durchschaut gefühlt.
    »Du bist absolut entflammt!«, stellte sie fest und legte ihre Hand an meine Stirn, als wolle sie meine Temperatur testen. »Was machst du nur für Sachen, Michelin? Du wirst dir den Hals dabei brechen.«
    »Nicht den Hals, Ellen, aber das Herz.«
    Als sie meine todtraurige Miene sah, warf sie plötzlich die Arme um mich und schmiegte ihren Kopf an meinen Hals. Es war eine Geste der Liebe und des Vertrauens, derer sie sich früher manchmal bedient hatte, wenn wir gestritten hatten. Es hatte so etwas Versöhnliches, ihr weiches Gesicht an meiner Haut zu spüren. Ich wurde ruhig davon, aber noch trauriger. Sie spürte es und strich mir übers Haar.
    »Du hast Angst«, sagte sie traurig. »Ich glaube, ich habe dir eine tiefe Angst eingepflanzt. Die Angst, wieder zu lieben und wieder Nähe zu wollen. Nein, sag jetzt nicht, dass das nicht stimmt. Es ist doch wahr. Das wissen wir beide. Und es ist für mich nicht so schlimm, wenn ich es mir selber sage, als wie wenn du es mir eines Tages vorwerfen würdest. Tatsache ist: Ich habe leider versagt. Sich zu lieben ist wunderschön. Wenn dann die Liebe irgendwann verloren geht, dann tut das weh, aber so etwas geschieht leider, und deswegen ist es auf irgendeine traurige Art und Weise okay, nicht? Aber es ist nicht okay, die andere in Angst vor einer neuen Liebe zurückzulassen.«
    »Aber das hast du nicht! Ich habe keine Angst«, widersprach ich ihr. Ich fand es furchtbar, dass sie sich so selbst anklagte. Aber ich hörte meiner eigenen Stimme an, dass ich mir selbst nicht glaubte.
    »Warum sonst hast du dir diese törichte Idee eingeredet, Lena lieben zu können, und bist dabei an dem Menschen vorbeigelaufen, den du eigentlich hättest treffen sollen?«
    War ich tatsächlich an Angela ›vorbeigelaufen‹? Der Gedanke entsetzte mich. Er klang in meinem Kopf so endgültig.
    Ellen trank ihren Kaffee aus und verließ mich wieder. Ich blieb betäubt zurück. Ratlos starrte ich die Unterlagen auf meinem Schreibtisch an. Recherche? Anrufe? Fremde Stimmen? Politisch brisante Themen? Es war wie eine andere Welt, ein anderes Leben.
    Warum rief Angela nicht wenigstens kurz einmal an? Ich wünschte mir, sie würde mich teilhaben lassen an ihren Gedanken, an der Entwicklung, die sie gewiss nahm. Ich konnte nur hoffen, dass ihr Schweigen nicht einen erneuten Rückzug bedeutete.
    Ellens Besuch hatte nicht dazu beigetragen, dass ich mich besser fühlte. Eher im Gegenteil. Ich fühlte mich wie jemand, der beim Kochen einen Riesendreck veranstaltet hat und nun nicht abwaschen will.
    ›Ich sollte zumindest den gröbsten Dreck beseitigen!‹, dachte ich und machte mich auf den Weg zu
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