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Die schoenen Hyaenen

Die schoenen Hyaenen

Titel: Die schoenen Hyaenen
Autoren: Olivia Goldsmith
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stand. Mary Jane hatte ein fliehendes Kinn. Ihre Wangen waren zu dick, wie die Pausbäckchen eines Eichhörnchens. Nur daß diese Tiere niedlich sind, während Mary Janes Gesicht diese Bezeichnung nicht verdiente.
    Sooft sie dort im Badezimmer hockte, traten Tränen in ihre Augen. Dennoch starrte sie sich weiter an. Sie sah die großen braunen, von Tränen verwässerten Augen. Fenster zur Seele. Was nützten hübsche braune Augen? Gott hatte sich da einen Witz mit ihr erlaubt. Die Augen halfen ihr nur, die eigene Hässlichkeit deutlicher zu sehen.
    Mit dreizehn wußte Mary Jane Moran, daß sie schlauer als die meisten Kinder ihrer Schule war. Dazu gehörte in einem Ort wie Scudertown im Staat New York nicht gerade viel. Doch tatsächlich war sie auch schlauer als die meisten ihrer Lehrer. Das ließ sie sich jedoch nie anmerken. Niemand schätzt es, einem anderen geistig unterlegen zu sein. Grandma hatte Mary Jane oft als »kluges Köpfchen« bezeichnet. Doch aus ihrem Mund hörte es sich wie eine Gemeinheit an, nicht wie eine Anerkennung. Mary Jane wußte auch, daß ihre Großmutter sie nicht liebte. Wegen ihres unattraktiven Äußeren glaubte Mary Jane automatisch, daß niemand sie je lieben würde.
    Sams Stimme riß Mary Jane aus ihren Grübeleien: »So, Leute, fangen wir an. Wir haben zu tun.«
    Mary Jane ging mit den anderen zu den kreisförmig aufgestellten Stühlen. Sie lächelte Sam zu. Der nickte nur. Mit etwas anderem hatte Mary Jane auch nicht gerechnet. Sam hielt sich in der Öffentlichkeit immer zurück. Später würde er sie schon gebührend begrüßen. Zu Hause im Bett. Zunächst galt es zu improvisieren, zu proben, zu ändern und noch einmal zu proben. Aus dieser zusammengewürfelten Gruppe wurde ein Ensemble, das beachtliche schauspielerische Leistungen vollbrachte. Sie arbeiteten an einer Unterhaltungsshow, die sich mit dem Leben vor und hinter den Kulissen befasste. Die Idee stammte von Sam.
    Mary Jane fand die Idee super. Doch darum liebte sie Sam eben auch. Sie konnte ihn bewundern. Er war ihr witziger, schillernder Freund. Es störte sie nicht, daß er hin und wieder mit einer anderen schlief. Sam hatte darauf bestanden, keine feste Bindung mit ihr einzugehen. So zog es Mary Jane vor, die Augen vor solchen Seitensprüngen zu verschließen.
    Mary Jane liebte nichts mehr, als Sam auf der Bühne beobachten zu können und jede seiner Bewegungen und seine Mimik zu verfolgen, ohne daß er das merkte. Sam war groß und schlank. Er bewegte sich mit der Grazie eines Tänzers. Seine sonst eher blasse Gesichtsfarbe hatte von der kalifornischen Sonne profitiert. Der Zweitagebart und der schwarze Rollkragenpullover erinnerten sie immer an einen italienischen Filmstar aus den 50ern. Sein langer, seidig schwarzer, im Nacken zusammengebundener Haarschopf bildete den Kontrast zu dem leicht zurückgehenden Haaransatz.
    Bald bricht er wieder nach L.A. auf. Und was mache ich dann? fragte Mary Jane sich. Zwar hatte sie ihm längst verziehen, daß er es nicht fertiggebracht hatte, ihr die Rolle in seinem Film zu verschaffen. Doch sie fürchtete auch, nicht gelassen zusehen zu können, wie der Film Jack and Jill and Compromise ohne sie entstand. Ebenso zweifelte sie daran, daß sie aus eigener Kraft eine Rolle in L.A ergattern konnte.
    Das war auch ein Argument Sam gegenüber gewesen. »Sehen wir doch den Tatsachen ins Auge. Ich bin nicht der Typ für L.A.«
    »Gerade du wirst Angebote bekommen. Charakterrollen. Das ist fast sicher. Du bist so verdammt talentiert. Das müssen sogar die Dickschädel dort einsehen.«
    »Seymore LeVine hat es jedenfalls nicht eingesehen«, erinnerte sie Sam.
    »Der ist nur Produzent und ein Armleuchter obendrein.«
    »Soweit ich das beurteilen kann, sind die Armleuchter für die Rollenbesetzungen zuständig«, stellte Mary Jane trocken fest.
    Sam enttäuschte ihre Absage. Er reagierte nicht nur traurig, sondern auch ärgerlich, und das ergibt eine tödliche Mischung. Insofern nahm Mary Jane ein großes Risiko auf sich, wenn sie sich auf eine lange Trennung einließ. Immerhin wurde viel über Crystal Plenum erzählt. Und ohne Sam lief für Mary Jane in New York tatsächlich nicht viel. Sie hatte keine Ahnung, wie sie es monatelang ohne ihn aushalten sollte. Nur er gab ihrem Leben einen Sinn.
    »Also, wir müssen vier Szenen vor dem Vorhang zusammenbringen und sechs dahinter«, faßte Sam nun zusammen.
    »Wir brauchen noch einige Varieténummern, um die Show abzurunden. Dazu habe ich eine
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