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Die schoenen Hyaenen

Die schoenen Hyaenen

Titel: Die schoenen Hyaenen
Autoren: Olivia Goldsmith
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Neil, flehte sie lautlos. Vergiß es. Bitte spiel nicht um meinetwillen den Helden!
    »Verwandlungsakt, ja? Die kleine dunkelhaarige Mary Jane wird zur großen blonden Bethanie. Kaum nachvollziehbar. Schlimmer noch. Ich halte es nicht mal für komisch. Warte mal, Sam, da habe ich eine bessere Idee. Laß uns die Szene ein bißchen abändern. Dann verliert sie das Klischeehafte. Das motzt auch den Heiterkeitserfolg auf. Vertauschen wir die Rollen. Sie sagt Simsalabim, du verschwindest, und an deiner Stelle taucht Rick auf.«
    Alle Blicke wandten sich dem jüngsten Ensemblemitglied zu: Rick, jung, phantastische blonde Locken, ein perfekt proportionierter Körper. Manche lachten. Molly Closter und andere applaudierten.
    Sam sah Neil kalt an. Dann lächelte er. Doch Mary Jane erkannte, daß das Lächeln nicht echt war. Sam kochte vor Wut. Das Lächeln diente nur als Fassade. Alle verfolgen Neil, wie er ohne Hast zu dem Stuhl ging, über den er seinen Mantel gelegt hatte. »Komm, Mary Jane«, sagte er und zog den Mantel an.
    Sie schüttelte nur stumm den Kopf. Denn damit machte sie ja alles noch schlimmer. Sie hatte so auf Sams Rückkehr aus L.A. gewartet. Zwei Wochen lang. Sie hatte sich vorgenommen, die vielen Probleme am Abend mit ihm zu besprechen, und sie wollte von ihm in den Arm genommen werden und mit ihm schlafen. Wohin sollte sie denn gehen, wenn sie sich von Sam und ihrer Familie lossagte? Wenn sie sich das zu nahe gehen ließ. Wenn man ihr die Demütigung zu sehr anmerkte, konnte sie hier überhaupt nicht mehr mitspielen. Neil setzte sie unter Druck. Davor scheute Mary Jane zurück. Sie schüttelte erneut den Kopf.
    »Also gut«, meinte Neil und seufzte. »Aber ich mache hier nicht mehr mit. Nie mehr.« Kurz vor der Tür wandte er sich noch einmal an Mary Jane. »Es war mir ernst. Du bist mit Abstand die begabteste Schauspielerin, und du bist die nächste.«
    Die Tür fiel hinter ihm ins Schloß.

4.
    Sollten Sie einmal die unscheinbarste Stadt der Welt suchen, empfehle ich Ihnen Lamson in Texas. Eintönig und schier endlos führt die Interstate 10 von El Paso nach San Antonio. Jeder Punkt auf der Landkarte an dieser trostlosen Strecke markiert etwas, das sich Stadt nennt, eine immer staubiger und ausgestorbener als die vorhergehende. Ich, Laura Richie, weiß das, denn ich lernte sie bei meinen Recherchen kennen. Lamson hat es allerdings noch nicht einmal zu dem Punkt auf der Landkarte gebracht. Lamsons schäbigste Unterkünfte befinden sich auf dein Wohnwagen platz direkt neben der Straße.
    Sharleen Smith sprang aus dem verbeulten gelben Schulbus, ging schnell ein Stück die Interstate 10 entlang und bog dann in eine von Unrat starrende Seitenstraße ein, die zu wahllos aufgestellten, altersschwachen Wohnwagen führte. Im Gehen zog sie das rote Band aus dem Haar, mit dem sie ihre langen, weißblonden Locken im Nacken zusammengebunden hatte.
    Sharleen summte vergnügt vor sich hin, denn an diesem Tag vermochte sie nicht einmal der Anblick des nüchternen Blechwohnwagens, den sie mit ihrem Vater und Bruder bewohnte, zu deprimieren. Auch an die Gemeinheiten ihrer Klassenkameradinnen dachte sie nicht mehr, weil Boyd zu ihr hielt. Tatsächlich wußte sie nicht, warum die Mädchen sie hassten. Klar, sie war arm und nicht sonderlich schlau, dafür aber bildhübsch. Das hatte Momma ihr immer wieder gesagt. Momma wohnte allerdings schon lange nicht mehr hier.
    »So ein Mist!« Sharleen hatte den betagten Kleinlastwagen ihres Vaters hinter dem Wohnwagen entdeckt. Eine Tür stand offen. Das deutete darauf hin, daß Sharleens Vater wieder getrunken hatte. Sie seufzte. In Lamson, Texas, änderte sich eben nie etwas. Leise öffnete sie die Tür des Wohnwagens. Unter keinen Umständen wollte sie ihren Vater wecken und bete lautlos, daß er ihr den bevorstehenden Abend nicht durch seine Aggressivität verdarb.
    Eine penetrante Mischung aus Körpergeruch und Bier schlug Sharleen entgegen, sobald sie in dem Wohnwagen stand. Zwar wusch und bügelte sie für Vater und Bruder gewissenhaft, doch sie schaffte es nicht, ihren Vater dazu zu bringen, daß er sich häufiger duschte und seine Kleidung wechselte. Glücklicherweise war es ganz still im Wagen. Das deutete darauf hin, daß der Vater sich bis zur Bewußtlosigkeit hatte volllaufen lassen. Sie roch nun auch verschütteten, billigen Bourbon. Den trank er nur, wenn er eine besonders schlimme Sauftour hinter sich hatte.
    Sharleen war froh, mit niemandem sprechen zu müssen. Dean,
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