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Die schoenen Hyaenen

Die schoenen Hyaenen

Titel: Die schoenen Hyaenen
Autoren: Olivia Goldsmith
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flüchtete in eine Einfahrt, wo sie wieder zu Atem kommen konnte. Sie stellte sich wieder einmal die Frage, deren Antwort sie schon kannte: Wozu das alles? Gib's auf, sagte ihr eine innere Stimme, die Stimme ihrer Großmutter. Du hast nicht mal genug Geld, um dir einen Busfahrschein zu kaufen, deine Stiefel sind undicht, dein Mantel ist fünf Jahre alt und löst sich an den Nähten auf, und du kämpfst dich durch einen Schneesturm zu deinem Theater-Workshop, wo du fünfzig Stunden die Woche arbeitest, ohne auch nur einen Penny dafür zu bekommen. Du mußt verrückt sein.
    Doch sie war nicht verrückt. Sie hielt nur an etwas fest, was sie von klein auf angestrebt hatte. In ihrer Kindheit in Scuderstown hatte die Schauspielerei ihr das Leben erträglich gemacht. Sie hatte in allen Stücken der Laienspielschar ihrer Schule mitgewirkt, immer in den Charakterrollen: die Regina in den Kleinen Füchsen , Mrs. Webb in Unsere Stadt . Sie spielte gut, lebte ihre Rollen. Denn die Schauspielerei wies ihr den Weg aus Scuderstown, fort von einem elenden Leben. Weil ihre Großmutter ihr weder den Besuch eines College noch der Schauspielschule ermöglichen würde, hatte sie sich zur Krankenpflegerin ausbilden lassen. Notgedrungen — sie wollte nichts als Theaterspielen. Dabei konnte sie sich selbst vergessen und Freunde gewinnen.
    Es hatte eine Zeit gegeben, sie lag noch gar nicht so lang zurück, da hatte Mary Jane gemeint, die Tage ihrer Gelegenheitsjobs sei endgültig vorüber, und sie sei endlich so weit, daß sie sich als Schauspielerin ihren Lebensunterhalt verdienen könnte. Sie hatte in einem Zweipersonenstück die weibliche Rolle bekommen: Jack and Jill and Compromise. Mary Jane spielte eine untersetzte, ältliche und frustrierte Kassiererin, die sich auf eine Liebesnacht mit einem heruntergekommenen Verkäufer einläßt. Die beiden verliebten sich ineinander. Das Ganze spielte im Bett, nackt, auf einer praktisch kahlen Bühne. Für Mary Jane erfüllte sich ein Traum. Und Wunder über Wunder, die Kritiker lobten das Stück. Die Aufführung wurde in ein besseres Theater verlegt, wenn auch noch nicht an den Broadway. Fast zwei Jahre lang hatte Mary Jane die Jill gespielt. Es kam noch besser. Das Stück sollte verfilmt werden. Einer der Produzenten, Seymore LeVine, hatte sich mit Mary Jane unterhalten und ihr die Rolle praktisch zugesagt.
    Damals in Scuderstown hatte Mary Jane natürlich von einer besseren Zukunft geträumt. Doch auch in ihren kühnsten Träumen hatte sie nie an eine Filmrolle gedacht. Nun rückte die Aussicht in greifbare Nähe. Alle würden sie eines Tages sehen können. Sie konnte sich von allen Erniedrigungen reinwaschen und das große Geld verdienen!
    Durch das Stück hatte Mary Jane auch Sam kennengelernt. Er hatte Jack and Jill and Compromise geschrieben und die Regie geführt. Er hatte Mary Jane die Rolle gegeben, sie geführt und sich in sie verliebt. Vor etwa einem halben Jahr kaufte Hollywood die Filmrechte. Sam verhandelte mit den Leuten, weil er unbedingt Regie führen wollte. Er hatte Mary Jane gesagt, sie werden die Jill auch im Film spielen dürfen. Es war eine mutige, wirklichkeitsnahe Rolle, tragisch wie der Alltag selbst.
    Sam Shields flog nach L.A. Anfangs rief er Mary Jane jeden Abend an, dann jeden zweiten. Schließlich hörte sie eine ganze Woche lang nichts von ihm und wurde darüber fast wahnsinnig. Endlich traf eine kurze Mitteilung von ihm ein: »Verzeih mir. Was ich tun konnte, habe ich getan. Ich bin in vier Tagen wieder da.«
    Zwei Tage später las sie in Variety , daß man Crystal Plenum die Rolle der Jill angeboten hatte. Mary Jane verkroch sich vierundzwanzig Stunden lang in ihrem Bett.
    Ihr Freund Neil Morelli richtete sie wieder auf. »Das sind alles nur Arschlöcher«, redete er auf sie ein, während sie, das Gesicht in das Kissen gedrückt, lautlos weinte.
    Neil hatte ein Gesicht wie ein Frettchen, doch wenn er lächelte, konnte er richtig gut aussehen. »Hier, ich habe Rigatoni mit Pesto gemacht. Crystal Plenum ist doch eine Hure. Die wird einen ganz schönen Reinfall erleben. Vergiß es! Du hast die Jill erst zu dem gemacht, was sie ist. Wer dich gesehen hat, wird dich nie vergessen.«
    »Aber es wird mich auch niemand wieder sehen.« Grenzenlos traurig wandte sie sich ab. Die Tränen flossen.
    »Nun mal langsam. Du wirst ja wieder eine Rolle bekommen. Erinnerst du dich nicht, was die Kritiker geschrieben haben? >Pathos ohne eine Spur von Sentimentalität<. Sogar dieser
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