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Die schoene Luegnerin

Die schoene Luegnerin

Titel: Die schoene Luegnerin
Autoren: Jude Deveraux
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dabei. Wir haben etwa doppelt so viele Frauen wie Männer. Sie würden nicht zufällig Ihr Bild auch an unsere Wand heften, Captain? « Sie tat ihr Bestes, um weltgewandt zu erscheinen, aber in ihrer Stimme lag ein Unterton von Hoffnungslosigkeit und Sehnsucht.
    Jamie schenkte dem Mädchen ein mattes Lächeln. »Carrie, mein Liebes, ich sollte jetzt besser gehen. Ich muß... « Ihm fiel kein geeigneter Vorwand ein, um sich so schnell wie möglich aus dem Staub zu machen. Die Frauen gaben ihm das Gefühl, er wäre eins der seltenen Tiere im Zoo. Er hauchte seiner Schwester einen raschen Kuß auf die Wange und warf ihr einen Blick zu, in dem die deutliche Drohung stand, daß sie für diese Pein bezahlen würde. Dann ging er.
    Für einen Moment herrschte Grabesstille in dem Salon, bis sich die Frauen erholt hatten. Sie seufzten alle zur gleichen Zeit, bevor sie sich wieder ihren Tätigkeiten zuwandten und Briefe und Fotos studierten. Carrie rührte sich nicht von der Stelle, aber dann kam ihr ein Gedanke. Sie setzte Choo-choo auf den Boden, während sie Helen nicht aus den Augen ließ, und gab ihm einen Schubs.
    »Halt ihn fest! « schrie Carrie Helen zu. »Er läuft weg! «
    Helen versuchte den kleinen Hund einzufangen und lief von dem Tisch weg, neben dem sie gestanden hatte, als ob sie ihn bewachen müßte. Choo-choo hatte sich entschlossen, sich nicht einfangen zu lassen, und ein paar Sekunden später machten alle Frauen, die sich im Raum befanden, Jagd auf ihn — alle, außer Carrie. Sie nutzte die Gelegenheit und schlich unauffällig an den Tisch, auf dem Helen etwas versteckt hatte, hob das Buch hoch und zog einen Umschlag darunter hervor.
    Es war ein Umschlag, wie sie ihn täglich mit der Post bekamen, in dem sich ein Brief und eine Fotografie von jemandem befinden mußte, der eine Braut suchte.
    Während die anderen noch vollauf damit beschäftigt waren, den umhertobenden Hund zu fangen, nahm Carrie den Brief und das Bild aus dem Umschlag. Auf dem Foto war ein junger Mann zu sehen, der hinter zwei ärmlich gekleideten Kindern stand. Carrie widmete zuerst ihre ganze Aufmerksamkeit den Kindern — der Junge war etwa neun oder zehn Jahre alt, und das Mädchen konnte nicht älter als fünf sein. Die Kleider der Kinder waren sauber, aber sie paßten überhaupt nicht, und es schien, als ob sie sie von einer Wohlfahrtseinrichtung, die nicht auf die Größen geachtet hatte, bekommen hätten.
    Aber wesentlich auffälliger als die Kleidung waren die Augen der beiden Kinder — sie drückten unendliche Traurigkeit aus, die deutlich machte, daß sie einsam waren und in ihrem Leben wenig zu lachen hatten.
    Als Carrie den Blick von den Kindern wandte und den Mann betrachtete, schnappte sie nach Luft. Sie glaubte, den bestaussehendsten Mann der Welt zu sehen. Oh, vermutlich war er nicht ganz so hübsch wie ihre Brüder, aber er sah ja auch so ganz anders aus. Diesen Mann umgab eine Aura der Melancholie, die keinem einzigen Montgomery eigen war.
    Plötzlich stand Helen neben Carrie und riß ihr das Foto aus der Hand. »Es war nicht nett von dir herumzuschnüffeln. Das Foto gehört mir. «
    Carrie war zu keiner Antwort fähig und ließ sich benommen auf den nächsten Stuhl sinken. In dem Augenblick, in dem sie saß, stürmte Choo-choo auf sie zu und sprang auf ihren Schoß. Ohne sich dessen bewußt zu sein, nahm sie das kleine warme Tier in den Arm.
    »Wer ist das? « hauchte sie.
    »Damit du es genau weißt, Carrie, das ist der Mann, den ich heiraten werde«, verkündete Helen stolz. »Ich habe meinen Entschluß gefaßt, und niemand wird mich je davon abbringen können. «
    »Wer ist das? « wiederholte Carrie.
    Euphonia schnappte sich ohne Umschweife die Fotografie und drehte sie um. »Auf der Rückseite steht, daß sein Name Joshua Greene ist, und die Kinder heißen Tem und Dallas. Ein seltsamer Name für ein Mädchen, oder heißt das Mädchen Tem? Sieht aus, als ob es ein Schreibfehler wäre und Tim heißen müßte. «
    Die Frauen ließen das Foto herumgehen und sahen es sich an. Trotz der schrecklichen Kleider der Kinder war es eine hübsche Familie, und der Mann war auf seine dunkle Art zweifellos nicht häßlich, aber alle hatten schon besser aussehende Männer in ihrem Leben gesehen. Keine konnte verstehen, warum Helen es für nötig befunden hatte, das Foto vor ihnen zu verstecken, oder weshalb Carrie aussah, als wäre sie gerade einem Gespenst begegnet.
    »Der Mann von letzter Woche hat mir besser gefallen. Wie hieß
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