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Die schoene Helena

Titel: Die schoene Helena
Autoren: Jacqueline Navin
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des Raums.
    Jetzt erklang eine andere Stimme. „Mylady? Was ist los? Wer ist denn gekommen?“
    Mylady?
    „Lady Helena!“, rief Adam. „Sind Sie hier?“ Lebhaftes Getuschel lenkte seine Aufmerksamkeit auf zwei weibliche Gestalten, die in den Schatten beisammenstanden. „Lady Helena?“ Plötzlich flammte Licht auf und erschreckte alle drei. Ein hochgewachsener Mann, bärenstark gebaut, trat neben Adam und hielt mit einer kraftvollen Faust eine Öllampe hoch, die buschigen Brauen indigniert zusammengezogen.
    „Was zum Teufel geht hier vor, Helena?“
    Adam wandte sich wieder zu den beiden Frauen, die er jetzt, im gelben Lichtschein, deutlich sah. Die junge Dienerin starrte ihn angstvoll an ... mit gutem Grund. Sicher war der Neuankömmling ihr Herr, der ihr rüdes Benehmen mit einem strengen Tadel strafen, würde.
    Triumphierend erwiderte Adam ihren Blick, ehe er die Dame inspizierte, die er für Lady Helena hielt. Die Lippen missbilligend gekräuselt, schaute sie ihn an. Unter einem Spitzenhäubchen zeigten sich widerspenstige rote Haarsträhnen. Zahllose Sommersprossen übersäten das faltige Gesicht. Ihrem Alter entnahm er ebenso wie ihrer offenkundigen irischen Herkunft, dass sie nicht die Frau war, die er suchte.
    Nicht Lady Helena.
    In wachsendem Entsetzen betrachtete er die Dienerin, die ihn so kühn herausgefordert hatte.
    Lady Helena?
    Helena erbleichte, als seine Miene offenbarte, welche Erkenntnis er gewonnen hatte. Jetzt wusste er, wer sie war. Was drückte sein Gesicht aus? Bestürzung, Argwohn ... und Abscheu?
    Warum sollte sie das stören? Wegen meiner Eitelkeit vermutete sie. Die war ihr noch nicht völlig abhandengekommen, trotz der letzten fünf Jahre.
    Immerhin fand sie den Mann sehr attraktiv. Dunkles, fast schwarzes Haar, braune Augen, exquisit gekleidet - zweifellos ein Londoner Dandy, der seine Garderobe in der Savile Row schneidern ließ. Obwohl sie sich um eine arrogante Pose bemühte, flatterten ihre Nerven. Seit sie ihn vor dem Haus gesehen hatte, übte er eine verwirrende Wirkung auf sie aus.
    Was ihn hierherführte, war unschwer zu erraten. Dazu brauchte man keinen brillanten Verstand. Nur ein einziger Grund konnte einen Mann in den abgeschiedenen Norden des Landes locken. Und er war nicht der erste Mitgiftjäger. Aber er unterschied sich von den Speichelleckern, die sie mit scheinheiligen Komplimenten zu umgarnen suchten. Dieser Mann ist kein Heuchler, entschied sie. In seinen braunen Augen las sie ungläubiges Staunen - und unverhohlene, wenig schmeichelhafte Gedanken. Ein markantes Kinn und eine gerade Nase verliehen seinen Zügen eine gewisse Würde. Kein hübscher Mann. Aber er strahlte eine bezwingende Vitalität aus.
    Über seine sinnlich geschwungenen Lippen kam kein einziges Wort. Verlegen berührte sie ihr zerzaustes Haar und fragte sich, ob ihre Wangen Schmutzflecken aufwiesen. Die plötzliche Sorge um ihre äußere Erscheinung ärgerte sie. Mit solchen Dingen befasste sie sich schon lange nicht mehr.
    Zum Teufel mit ihm! Hastig ließ sie die Hand sinken. Wahrscheinlich ist er nur ein elegant gekleideter Hochstapler. „Vater“, würgte sie hervor, „bitte, du musst diesem Gentleman die Tür weisen.“
    Verwundert hob George Rathford, Earl of Rathford, die Brauen. „Was soll das, mein Kind?“
    „Wie du siehst, bin ich nicht in der Lage, irgendjemanden zu empfangen. Schau mich doch an! Wir haben im Keller gearbeitet.“
    Formvollendet verneigte sich der Gentleman vor Seiner Lordschaft. „Sir, es ist mir eine Ehre, Sie kennenzulernen. Wenn ich mich vorstellen darf - Adam Mannion, Esquire, zu Ihren Diensten.“
    Helena musterte ihn kritisch. Trotz der Verbeugung blieb sein Kopf stolz erhoben. Anscheinend widerstrebte es ihm, eine unterwürfige Haltung einzunehmen. Versteckte sich ein Rebell hinter der manierlichen Fassade?
    Voller Genugtuung wartete sie die Reaktion ihres Vaters ab, der Mannions Absichten sicher ebenso durchschauen würde wie sie selbst.
    „Ich bin gekommen, um mit Ihrer Tochter zu sprechen, Mylord“, fügte der Besucher hinzu, „und ich ...“
    „Mit meiner Tochter?“, unterbrach ihn George Rathford. „Kennst du diesen Mann, Helena?“
    „Nein, Vater. Als du in die Halle kamst, wollte ich ihn gerade wegschicken.“
    Unwillig sah sich der Earl um. „Wie dunkel es hier ist! Warum sind alle Fensterläden geschlossen? Ich kann den Burschen kaum sehen.“
    „Im Sonnenschein fliegen Staubwolken herum, Mylord“, erklärte die Irin. „Wenn die
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