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Die schoene Helena

Titel: Die schoene Helena
Autoren: Jacqueline Navin
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unmöglich!“
    „Ihre Mutter hat ihn hierhergerufen, über Raum und Zeit hinweg.“
    „Will sie mich bestrafen? Hasst sie mich?“
    „Niemals wird eine Mutter ihr Kind hassen. Oh nein, Helena, Lady Rathford liebt Sie wie eh und je.“
    Welch ein schwacher Trost... Viel zu qualvoll hatte Helena unter dem Joch dieser Mutterliebe gelitten. „Aber er ist ein Bürgerlicher. Und ziemlich ungehobelt.“
    Statt zu antworten, presste Kimberly die Lippen zusammen -ein Zeichen, dass sie genug gesagt hatte. Dann stand sie auf, legte die Karten in den Schrank zurück und verließ das Zimmer.
    Auch Helena erhob sich, ging zum anderen Ende des Raums und sank auf die breite, in die dicke Mauer eingelassene Fensterbank. Hier pflegte sie zu sitzen, wenn sie nachdenken wollte. Natürlich glaubte sie nicht an Kimberlys Prophezeiung. Aber die listige Irin hatte wieder einmal schmerzliche Schuldgefühle geweckt.
    Wie kann ich diesen arroganten Pfau heiraten, fragte sich Helena, einen Fremden, der sich offenbar nur für meine prall gefüllte Börse interessiert? Dieser Mann soll mein Schicksal sein?
    Fröstelnd verschränkte sie die Arme vor der Brust.
    Vergeltung ...
    War es an der Zeit, für ihre Tat zu büßen?
    Als ihr ein Dienstmädchen den Wunsch ihres Vaters mitteilte, sie möge sich umkleiden und in den Wintergarten kommen, erschrak Helena zutiefst. Sie hatte gehofft, er würde Adam Mannion nur ein wenig hinhalten, um ihn zu verhöhnen. Und jetzt? Nahm er den fragwürdigen Heiratsantrag ernst? Was hatte das zu bedeuten?
    Erst Kimberlys Weissagung ... und nun die Forderung des Vaters ...
    Sie ging zum Toilettentisch und starrte ihr Spiegelbild an. Sobald sie in ihr Schlafzimmer gekommen war, hatte sie in der Sitzbadewanne gebadet und ihr Haar gewaschen. Früher hatten weizenblonde, kunstvoll frisierte Löckchen ihr Gesicht umrahmt, jetzt fiel das immer noch feuchte Haar schlaff auf die Schultern. Sie besaß immer noch einen makellosen Teint. Aber kein rosiger Hauch belebte die bleichen Wangen, und die Lippen wirkten blutleer.
    Nein, sie war keine Schönheit mehr. Und das ist gut so, dachte sie. Nie wieder wollte sie jene andere Helena im Spiegel sehen, das Geschöpf ihrer Mutter. Und doch - die unscheinbare Frau, die ihr jetzt entgegenblickte, kam ihr wie eine Fremde vor. Vielleicht war es die richtige Helena, die sie noch gar nicht kannte.
    Zum ersten Mal, seit sie den Zwang der Schönheit und Anmut - jahrelang von der Mutter auferlegt - abgeschüttelt hatte, wollte sie die einstige Helena zurückholen. Der Gedanke, ohne jene reizvolle Aura in den Wintergarten zu gehen und ihn wiederzusehen, erschien ihr zu schrecklich. Von der Mutter hatte sie gelernt, Aufmerksamkeit und Bewunderung zu erregen. Jetzt brauchte sie diese Fähigkeit.
    Entschlossen bürstete sie ihr Haar trocken, und als es zu glänzen begann, kehrte zumindest ein Teil ihres früheren Selbstvertrauens zurück. Dann biss sie sich in die Lippen, kniff in ihre Wangen, um sie zu röten, und inspizierte den Inhalt ihres Schranks.
    Staubig und formlos hingen die Kleider herab, an manchen Stellen von Motten zerfressen. Außerdem waren sie längst aus der Mode. Schließlich griff sie nach einem gelben Musselinkleid mit goldener Stickerei, schüttelte es und wirbelte eine Staubwolke durch die Luft. Beinahe gewann sie den Eindruck, sie würde die Melancholie der letzten Jahre verscheuchen. Ihr Herzschlag beschleunigte sich. Schicksal hin, Schicksal her, sie würde Mr Adam Mannion, Esquire, einiges klarmachen. Vor allem, dass sie keine Galeone voll kostbarer Schätze war, eine leichte Beute für jeden dahergelaufenen Piraten.
    Und so schlüpfte sie ermutigt in das gelbe Musselinkleid.

3. Kapitel
    Begeistert schaute sich Adam in dem exquisiten Wintergarten um.
    Was würde sein Vater sagen, wenn er ihn hier sehen könnte - drauf und dran, eine schwerreiche Erbin zu heiraten? Noch ist es nicht so weit, ermahnte er sich zur Vorsicht. Erst einmal musste er die schöne Lady Helena erobern.
    Als hohe Absätze über den Fliesenboden klapperten, erhob sich Lord Rathford aus einem Korbsessel und stellte sein Whiskyglas beiseite. Adam setzte eine stoische Miene auf, um den Aufruhr seiner Gefühle zu überspielen.
    Bei Helenas Ankunft stockte ihm der Atem. Unglaublich, wie verändert sie aussah ... Das schimmernde blonde Haar, ordentlich hochgesteckt, umrahmte ein fein gezeichnetes Gesicht mit leuchtend blauen Augen und vollen rosigen Lippen. Aber ihre zierliche, viel zu dünne
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