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Die schöne Betrügerin

Die schöne Betrügerin

Titel: Die schöne Betrügerin
Autoren: Celeste Bradley
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selbst belogen. Gut, dass er die fremde Frau mit dem flammenden Haar nie wieder sehen würde.
    Während James nach oben ging, kam Jackham herunter, den ergrauten Kopf gesenkt und vorsichtig eine Stufe nach der anderen nehmend.
    Der Clubmanager war an diesem Nachmittag noch langsamer als sonst. Vor langer Zeit hatte ein Sturz ihm die Knochen gebrochen und Londons größten Juwelendieb für immer in Rente befördert. Der frühere Spionagechef Simon Raines hatte seinen alten Freund angeheuert und ihm die Leitung des öffentlichen Teils des Clubs übertragen, doch Raines hatte sorgsam darauf geachtet, den unverhohlen geldgierigen Jackham aus dem inneren Kreis herauszuhalten.
    Jackham kannte die Liars, jeden Einzelnen, doch er hielt den Club für einen Hort der Diebe. Das, was sich in den Hinterzimmern verbarg, hatte man ihm als Hilfsmittel für die ausgefeilten Beutezüge erklärt, die für ihrer aller Wohlstand sorgten. Die Männer waren Diebe oder Diebe in Ausbildung. Das Kartenzimmer diente der Aufbewahrung von Gebäudeplänen sämtlicher feiner Häuser – hinzu kamen allerdings Napoleons Besitztümer und die geheimen Routen, die nach Paris und wieder hinaus führten. Das Dechiffrierzimmer hatte natürlich einer genaueren Erklärung bedurft. Aber solange sich in seiner Lohntüte Edelsteine fanden und der Club Profit abwarf, interessierte sich Jackham nicht sonderlich für Details.
    Jackham hatte Spaß an der Arbeit. Er hatte einen guten Riecher fürs Geldverdienen und kannte sich mit Whisky aus. Und diesen Diebeshort geheim zu halten, gab ihm das Gefühl, sein altes Leben weiterzuführen.
    James lächelte. Er hatte den diebischen Kerl immer gemocht. »Sie spüren das Wetter, was, Jackham?«
    Der Mann blieb stehen und zog die wie üblich grauenhafte Weste zurecht. »Hat mich schon schlimmer erwischt. Aber vor dem Sommer war es nicht so übel.« Die Todesfälle bei den Liars hatten Jackham, wie allen anderen auch, schwer zugesetzt.
    James nickte und ging weiter. Er war nicht in der Stimmung für beiläufiges Geplauder, nicht einmal mit einem alten Freund wie Jackham.
    Der Gang im oberen Stockwerk führte an einer Reihe von Zimmern vorbei, die bei Bedarf genutzt wurden, nämlich wenn die Männer zwischen den Einsätzen ein paar Nächte einen sicheren Schlafplatz brauchten oder wenn es hektisch wurde, was dieser Tage oft der Fall war.
    Einem Unbeteiligten mussten die Zimmer wie die üblichen kargen Schlafkammern erscheinen, die es überall in der Stadt in den Herrenclubs gab.
    Der Unterschied befand sich ein Stück weiter hinten. James ging zum Ende des Ganges, wo der Teppich vor einer aufwändig geschnitzten Wandverkleidung aus glänzendem Eichenholz endete. James drückte mit einer Hand auf eine kleine Paneele über seinem Kopf; mit der anderen drückte er auf ein anderes Stück Holz in Hüfthöhe.
    Die Wand gab mit einem Klicken nach und schob sich einen Spalt auf. Gerade so breit, dass James hineingreifen, sie zur Seite schieben und durch die Öffnung treten konnte. Dann glitt die Wand auf sorgsam kalibrierten Federn in ihre ursprüngliche Position zurück und klickte wieder zu einer makellosen Wandvertäfelung zusammen.
    Auf dieser Seite war der Teppich ein wenig fadenscheiniger, das Holz weniger glänzend und der Gang auch nicht so einladend – der Geruch der alten Bücher und des leicht feuchten Wollteppichs stieg James in die Nase.
    Das hier war sein Zuhause, nicht das feine Londoner Stadthaus, das er auf Betreiben seiner Schwester gekauft hatte, und selbst Appleby nicht, der Landsitz in Lancashire, den er nach dem Tod seines Vaters geerbt hatte.
    Der Club war sein Zuhause, die Männer waren seine Familie. Die, die noch übrig waren…
    Er hörte im Geist die Stimme von Simon Raines.
»Wir hatten noch nie genug Männer. Und Spezialisten hatten wir erst recht nie genug. Aber jetzt sind wir runter auf zwei Taschendiebe, einen Messerstecher
;
vier Kundschafter
;
drei Dachkletterer und einen Saboteur, dich nicht mitgerechnet.«
    Ihn nicht mitgerechnet.
    Aber ohne ihn hätten sie nie einen solchen Schwund gehabt. Keine leeren Schlafkammern, keine halb vollen Besprechungsräume. Keine unerledigten Aufträge, weil ihnen die Männer fehlten…
    James machte die Augen zu. Er hatte keine Zeit für rührseliges Selbstmitleid. Er musste den Schmerz und die Schuldgefühle, die sein monumentaler Irrtum ihm beschert hatte, auf das Auffinden der Männer richten.
    Er betrat das Dechiffrierzimmer. Der Raum war groß, bot aber
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