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Die Schnelligkeit der Schnecke

Die Schnelligkeit der Schnecke

Titel: Die Schnelligkeit der Schnecke
Autoren: Marco Malvaldi
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die Stirn.
    »Das ist alles.« Es war keine Frage, sondern eine Aussage. Wenn auch ein bisschen verzweifelt.
    »Ja. Alles«, antwortete Tiziana, ohne etwas hinzuzufügen. Sie hätte wohl Lust gehabt, noch etwas zu sagen, weil sie eine fröhliche junge Frau mit einem sonnigen Gemüt war, aber andererseits war sie auch ein kluger Mensch. Daher hatte sie rasch gemerkt, dass ihr Brötchengeber unnütze Fragen ganz besonders verabscheute, und verkniff sich diese, wenn auch mit einer gewissen Anstrengung.
    »Also, fassen wir zusammen. Die vier Tische an den Tamarisken haben keinen Empfang.«
    »Ja. Das heißt nein, sie haben keinen.«
    »Die drei an der Säule, schwaches Signal.
    »Genau.«
    »Und an dem Tisch unter der Ulme, volles Signal.«
    »Genau. Also ...«
    Also ein Schlag ins Wasser, dachte Massimo. Das kann doch nicht sein, verdammt. Das ist eine Verschwörung. Da geh ich hin und will Internet über Satellit in der Bar, ich geb ein halbes Vermögen dafür aus, ich verlier bei der Installation die letzten drei oder vier noch kommunizierenden Neuronen, die mir geblieben sind, und was passiert? Es geht nicht. Schlimmer noch, es geht nur sprunghaft. Das Signal ist einfach scheiße. Es schwankt, es stockt, es spuckt. An einer einzigen Stelle, verdammt noch mal, gibt es Empfang. Stark, präzise und unerschütterlich. An nur einem einzigen Tisch. Dem Tisch unter der Ulme. Dem Tisch, an dem mein Großvater und diese anderen Gerovital-Anhänger jeden Tag den ganzen Nachmittag verbringen, von April bis Oktober, seit ich hier aufgemacht habe. Es tut mir leid, aber das ist jetzt deren Problem. Ich brauche diesen Tisch.
    Es war Nachmittag, und die Bar wie auch der größte Teil des Dorfes, gönnte sich jenen ausgedehnten Nachmittagsschlaf, der der Stunde des Aperitifs vorausging. Draußen an den Tischen saßen nur zwei junge Mädchen mit einem Laptop und zwei caffè shakerato bei den Tamarisken sowie die vier Bannerträger des dritten Lebensalters, die stolz auf den Stühlen am Tisch unter der Ulme thronten. Tiziana kam in die Bar zurück, nachdem sie die Bestellungen der Genannten aufgenommen hatte.
    »Massimo?«
    »Anwesend.«
    »Also, zwei Espresso, einen normalen für den Großvater und einen corretto al sassolino, also mit einem Schuss Anislikör, für Aldo. Einen Averna mit Eis für Pilade und einen Chinotto für Rimediotti.«
    »Gut. Machst du mir bitte die Espresso, Tiziana? Um den Rest kümmere ich mich.«
    Massimo nahm ein Holztablett und stellte es auf den Tresen, beugte sich unter die Theke und zog ein Fläschchen mit einer dunklen Flüssigkeit hervor. Einen Augenblick lang betrachtete er sie liebevoll, dann nahm er sie und schüttelte sie etwa zehn Sekunden kräftig.
    Sanft stellte er sie auf dem Tablett ab und legte den Flaschenöffner daneben, dann gab er einen Schluck Averna in ein Glas und fügte zur Abrundung noch einen Schuss Balsamicoessig dazu; danach angelte er mit den Fingern einen Eiswürfel aus dem Behälter und ließ ihn mit professioneller Miene ins Glas fallen. Schließlich musterte er nachdenklich die beiden Espresso, die Tiziana zubereitet und auf das Tablett gestellt hatte. Er trank von beiden einen Schluck, füllte sie mit gewichtiger Miene mit Mineralwasser direkt aus dem Kühlschrank auf und gab noch einen Spritzer Zitronensaft für Aldo hinzu, der seinen Espresso ja sowieso corretto wollte.
    »Fertig. Bring’s nur raus ...«
    »Massimo, komm schon ...«
    »Was?«
    »Komm, stell dich nicht dümmer, als du bist.«
    »Man beleidigt seinen Vorgesetzten nicht. Das ist ungezogen und zeugt von mangelnder Schlauheit. Sonst entlass ich dich noch, weißt du?«
    »Ich hab nicht gesagt, dass du dumm bist, ich habe gesagt, dass du dich dumm anstellst. Die armen Opis, ich bitte dich.«
    »Von wegen, die armen Opis! Hab ich sie gefragt oder nicht, ob sie mir den Gefallen tun, sich an einen anderen Tisch zu setzen?«
    »Ja, Massimo, aber auch du musst doch verstehen, dass ...«
    »Nichts ›auch du‹. Nur ›du‹. Massimo muss verstehen. Massimo muss verstehen, dass die Opis, die Ärmsten, ihre Gewohnheiten haben. Massimo muss verstehen, dass es unter der Ulme schön kühl ist. Abgesehen davon sehe ich nicht ein, warum Massimo so ein Theater deswegen macht. Schließlich gehört ihm die Bar im Grunde ja gar nicht. Die Opis haben ihn enteignet. Damit sollte er sich allmählich abfinden.«
    »Jedenfalls bringe ich ihnen dieses Zeug nicht.«
    »Macht nichts. Rimediotti kommt sowieso gerade.«
    In der
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