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Die Schmerzmacherin.

Die Schmerzmacherin.

Titel: Die Schmerzmacherin.
Autoren: Marlene Streeruwitz
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müssen. Cindy würde ja nicht danebenstehen und für den Gregory lügen.
    Sie konnte es dann aber gleich wieder nicht mehr glauben. Wie sollte sie ein Opfer sein. Sie war nicht einmal wichtig genug. Es war alles ein Versuch, ihr zu helfen, aus ihrem Dahintreiben herauszukommen. Vielleicht sollte sie selber der Sache eine Chance geben und zu Gertrud in die Rezeption gehen und sich aufwärmen. Einen Kaffee trinken und Gertrud fragen, was sie gemeint hatte. Sie konnte dann noch immer weg.
    Sie ging den Verschlag entlang. Es waren grobe Holzbretter aneinandergenagelt und bildeten einen Verschlag. Wahrscheinlich war hier Holz gelagert worden. Für die Heizung. Es hatte so gerochen. Jetzt gab es einen Tank für den Generator und Strom aus der öffentlichen Leitung und einen Gastank für die Heizung. Der Normalbetrieb wurde mit einer Pelletsheizung bestritten. Alle anderen Energiekreisläufe waren für Krisen gedacht. Emergencies. Sie hatte das für eine Art didaktische Anordnung gehalten. Aber es ging schon darum, autark zu sein. Der Schnee war nicht so hoch hier. Windschatten. Sie kam an die Ecke. Sie schaute vorsichtig. Wie konnte sie da nun ungesehen entlangkommen. Wenn sie sich an die Wand drückte. Sie sollte von oben nicht gesehen werden können.
    Lange Eiszapfen hingen um die Ecke von den Holzbrettern, die das Dach des langen Verschlags bildeten. Es tropfte noch nichts. Die Enden der Eiszapfen schienen aber schwimmend glasig bereit, sich in Tropfen aufzulösen. Sie drehte sich um. Etwas hatte sich bewegt. In der Mitte des riesigen Schneefelds zwischen den Baracken und der Betonmauer in den Hügeln hinten hatte sich etwas bewegt. Sie kniff die Augen zusammen. Der Schnee. Die Sonne auf dem Schnee. Kopfschmerzen, wie die Helle sich hinter die Stirn drängte.
    Es war etwas in der Mitte des Schneefelds. Sie zitterte nicht mehr. Die Kälte schüttelte sie. Die Sonne hatte nur kurz die Illusion von Wärme hergestellt. Was war da. Da. Wieder. Etwas erhob sich und fiel dann in sich zusammen. Und es war eine Gestalt. Aber dann doch nicht. Hüpfen. Hüpfte da ein Tier. War da ein Tier in eine Falle geraten. Sie wandte sich zurück und ging auf das Schneefeld.
    Darin waren sich alle einig gewesen. Alle. Und immer. Das Mammerl. Die Eltern Schottola und die Betsimama. Einem Tier in Not. Dem wird geholfen. Sie watete im Schnee. Der Schnee auch hier nicht so hoch, wie es aussah. Der weiche Schnee machte den Eindruck, als läge er meterhoch. Es waren aber nur 30Zentimeter. Oder ein halber Meter. An manchen Stellen war es ein halber Meter. Dann wieder sehr viel weniger. Die Oberfläche war aufgerührt. Verweht. Schuppig verweht. Der Hubschrauber. Unter dem Schnee war es eben. Sie konnte einfach gehen. Die Sonne im Rücken. Das Gleißen und Glitzern rundum. Sie ging auf dieses Ding zu. Es schien etwas Großes zu sein. Wenn das ein Reh war. Oder ein riesiger Hund. Es war nicht klug, einfach auf diese Sache loszugehen. Warum war sie nicht zu den anderen zurückgegangen und hatte die Tür aufgemacht. Dann hätte sie jetzt Hilfe haben können. Hilfe holen. Dann hätte sie das Ding gar nicht bemerkt. Sie konnte immer noch zurück. Aber jetzt musste sie genau schauen und dann berichten. Vielleicht konnte sie das alles noch einmal für sich herumreißen. Sie konnte zu Gregory gehen und ihm berichten und das alles als ihre Eigeninitiative verkaufen. Sie ging der Sache jedenfalls auf den Grund. Es würde sich bei dem Tier ja nicht gerade um ein Sicherheitsrisiko handeln, aber man konnte ein verendendes Wesen nicht einfach daliegen lassen.
    Es war keine Wolke am Himmel. Blassblau und kalt und weißes Sonnenlicht. Die Kopfschmerzen begannen in der Mitte der Stirn. Und wie weit es zu diesem Ding war. Sie kam nicht näher. Ihr war nicht mehr kalt. Sie zitterte nicht mehr. Sie stapfte. Die Schritte ohne ihr Zutun. Das Ding wurde nur langsam größer. Deutlicher deshalb nicht. Es war nicht auszunehmen, um was es sich da handelte. Dunkel. Eine Masse. Die Angst von vorhin. Die Schritte langsamer. Vorsichtiger gesetzt. Es war schon lange klar. Es war nur nicht denkbar. Es war eine Person. Es war ein Mann. Ein Mann hockte da inmitten des Schnees. Ein zusammengefalteter Mann. Die Fesseln waren erst aus der Nähe zu sehen. Näher erst. Die Hände waren zwischen die Beine gefesselt, so dass jede Bewegung an den jeweils anderen Fesseln scheitern musste. Die Fesseln zwangen ins Hocken, um nicht noch mehr gefesselt zu werden. Der Mann trug einen dünnen
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