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Die Schmerzmacherin.

Die Schmerzmacherin.

Titel: Die Schmerzmacherin.
Autoren: Marlene Streeruwitz
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dann aus der Verankerung. Sie hockte vor der Tür. Ihr Atem war so laut, dass sie nichts anderes hören konnte. Sie blieb sitzen und bemühte sich, tiefe Atemzüge. Eins, zwei, drei. Einatmen. Eins, zwei, drei. Ausatmen. Das war eine der Fallen. Dass die innere Aufgeregtheit die äußeren Phänomene überdeckte. Man musste dann auf das Adrenalin warten, das einen wachsam und ganz nach außen gelenkt zurückließ. Deshalb trank man keinen Alkohol. Bei richtigen Aufträgen trank man keinen Alkohol, weil das die Adrenalinausschüttungen durcheinanderbrachte. So viel hatte sie in den Skripten vorausgelesen. Sie hatte aber nun ihren Wodka in sich. Auf das Adrenalin konnte sie also nicht warten. Sie musste selber handeln. Kein Fluchtinstinkt würde sie weitertragen. Und wie das alles immer bei dem einen blieb. Sie würde an der Wiedergutmachung sterben, weil die Tante Marina das lieber alles für sich haben wollte. Die anderen waren wegen dieser Bilder abgeholt worden. Es ging immer auch darum, und sie hatte ihren Anteil haben wollen. Den würde jetzt Gregory kassieren. Der musste ja etwas bekommen. Und irgendwie. Es war nicht wirklich logisch. Wenn die Marina den Gregory beauftragt hatte. Dann konnte Mr. Madrigal sie immer weiter daran erinnern, wie er die Nichte weggezaubert hatte, und kassieren. Oder bei einem Auftrag leider ein Unfall. Im Dienst. Es könnte über sie heißen, dass sie im Dienst. In Erfüllung ihrer Pflicht. Und das war nicht falsch. Für die Marina war ihre Pflicht ja, nicht da zu sein. Abzukratzen. Der Marina nach hätte keine von ihnen existieren sollen. Schon das Mammerl nicht. Nicht die Betsimama. Und sie schon überhaupt nicht. Eine Kette von Ungewollten waren sie. Die Urururenkelin. Die Großnichte. Die Miterbin. Das war sie. Warum wunderte sie sich immer noch in manchen Augenblicken, dass es sie war. Wie als sehr kleines Kind vor dem Spiegel. Wie es gekommen war, dass das nun sie war, und wieso sie niemand anderer geworden war. Sie war erstaunt. Sie war immer noch erstaunt über sich. Das war nicht gesund. Oder es war der Wodka. Und eigentlich war nichts so richtig wirklich. Selbst die Panik. Wenn sie es sich genau überlegte. Es war dann doch vergnüglich weit weg.
    Die Tür fiel gegen sie. Das rohe ungehobelte Holz schlug gegen ihre Stirn. Ein harter Schlag. Kantig. Da gehört ganz schnell ein Eisbeutel drauf, dachte sie. Vor ihr. Draußen. Links die Baracken. Vor ihr ein riesiges Schneefeld. Weit außen rechts die Betonmauer. Hinten. Fast schon in den Hügeln ein Wachturm. Die Kälte. Sie trat in die Sonne vor der Tür. Sie zitterte. Die Sonne wärmte nicht, aber es war da nicht mehr die feuchte Kälte wie in diesem Schuppen. Trockener. Trockener und damit wärmer. Sie sah sich um. Es war niemand zu sehen. Sie sah zum alten Gebäude hinauf. Die Fenster lagen im Schatten. Sie konnte nichts erkennen. Ob da jemand herunterschaute. Ob da überhaupt jemand war. Die Büros gingen alle auf die andere Seite hinaus. Der Sitzungssaal schaute in den Hof. Sie war dazwischen und darunter. Um die Ecke vom Sitzungssaal.
    In der Sonne. Sie hielt die Tasche vor die Brust. Ihr warmer Pullover und der dicke Rock. Auf den Bildern vor dem Exil. Die Urgroßmutter beim Skifahren am Arlberg. Die hatte nur Pullover an. Beim wüstesten Schneesturm. Und sie hatte Thermounterwäsche. Weil man bei den Gruppenversuchen nie wusste, wohin oder was getan werden musste, und weil es auf den Toiletten ungeheizt war. Im ganzen compound gab es keine geheizte Toilette. Sie war einmal extra deswegen ins Hotel zurückgefahren. Es war unzivilisiert. Man konnte doch wenigstens kleine Elektroöfen aufstellen. Beim Mammerl gab es auch nur so eine Heizschleife über der Tür. Den Arsch wärmte das auch nicht. Aber es war doch ein höflicher Versuch. Sie wollte nach rechts gehen und rund um das Gebäude. Immer knapp am Gebäude entlang. Dann musste sie zum Parkplatz kommen und zum Auto, und dann fuhr sie einfach davon. Natürlich war es eine halbe Million, die ihr zustand und die die Marina ihr geben musste. Das war schon viel, und die Marina war so ungebeugt überzeugt, dass nur sie etwas davon verstand, was man mit dem Geld machen musste. Verschwender dachten so. Die Marina wusste ja auch, dass eigentlich nur sie auf der Welt sein sollte. Alle anderen Menschen. Die nahm sie hin, weil es halt sein musste. Weil sie es sonst ja nicht wissen hätte können. Wie viel von dem Geld würde Gregory reichen. Und wie viel würde Cindy bekommen
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