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Die Schattenstaffel Kommissar Morry

Die Schattenstaffel Kommissar Morry

Titel: Die Schattenstaffel Kommissar Morry
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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verfahren, daß sie auf Anhieb wohl kaum wieder flottgemacht werden konnte. Kommissar Morry wußte das nur zu gut, er ließ sich dennoch keineswegs entmutigen . . .
    Augenblicklich ging er daran, alle bisherigen Unterlagen über das Phänomen ,Napoleon von London' von den einzelnen Dezernatsleitem anzufordern. Was sich kurze Zeit später an Vernehmungsprotokollen und sonstigem Papierkram auf seinem Schreibtisch aufhäufte, konnte einen förmlich schwindlig machen. Alles das mußte zunächst peinlich sorgfältig durchgesehen und sondiert werden, eine Arbeit, die die Kriminalisten zwang, auf den Nachtschlaf zu verzichten. Während der junge Chef des Sonderdezernats mit verkniffenen Lippen den Aktenberg betrachtete, wurde erneut die Stimme des Sektionspräsidenten vernehmlich:
    „Sorry, da hat sich inzwischen mehr Aktenkram angesammelt, als gedacht. Keine angenehme Sache für Sie, Morry, sich da erst einmal hindurchzufinden und den ,roten Faden' zu entdecken. Doch wie ich Sie kenne, schaffen Sie es. Ob Sie sich zuerst einmal den jüngsten Fall vorknöpfen, den Mord an dem Zeitungsreporter Browner? Denn manches spricht doch dafür, daß dieser Satan, dieser ,Napoleon von London', seine schmutzigen Hände mit im Spiele hatte."
    „Well, Sir!" gab Kommissar Morry knapp zurück, „genau das habe ich im Sinn."
    Er griff zu dem noch dünnen Aktenbündel mit dem Kennzeichen des Mordfalles ,Browner'. Viel hatte die Tatortbesichtigung der Beamten vom I. Dezernat nicht erbracht. Kommissar Morry las die ausführlichen Vermerke . . .
    Browner war in den Morgenstunden des vergangenen Sonntages, also vor mehr als fünf Tagen, aus der Themse gefischt worden. Die Untersuchung hatte ergeben, daß er den Tod schon am Vorabend gefunden haben mußte, und zwar nicht durch Ertrinken, sondern durch tödliche Verletzungen im Rücken, verursacht durch ein geschliffenes Werkzeug. Der mutmaßliche Tatort war noch nicht ermittelt worden. Auch das Motiv dieser ruchlosen Tat stand noch nicht einwandfrei fest. Lediglich ließen Beruf und Lebensweise des Getöteten den Schluß zu, daß er bei seinen gelegentlichen beruflichen Streifzügen durch das Soho-Gebiet auf Sachverhalte gestoßen war, die der Öffentlichkeit nicht bekanntgemacht werden durften. Dem Verräter drohte tödliche Rache. —
    Diese Kombination erschien Kommissar Morry unzweifelhaft richtig. Demzufolge war zunächst herauszufinden, welchem Geheimnis Browner in den letzten Tagen seines irdischen Daseins nachspüren wollte. Irgendwo —so kombinierte Morry — mußte es doch einen Menschen geben, dem Browner sein Vorhaben, und sei es nur ganz vage, mitgeteilt hatte.
    Und wo konnte dieser Mensch, dieser Mitwisser seiner Nachforschungen, anders sein als bei der ,Exclusiv-Press', jener Zeitung, für die er sein Leben gelassen hatte. —
    Man mußte sich also zuallererst einmal mit den einstigen Kollegen des Ermordeten befassen. Kommissar Morrys Entschluß stand fest. Zu überlegen war nur noch, bis zu welchem Grade seine Erkundigungsaktion offiziell oder unauffällig durchgeführt werden mußte! Die Sonne schien verschwenderisch zum Fenster herein und zeichnete gleißende Stricke auf die schicksalsschweren Akten.
     
    *
     
    Randolph Morgan war eine merkwürdige Natur. Er hatte Freunde, die sich jeden Scherz mit ihm erlauben durften. Von denen ließ er sich bei guter Laune unbeleidigt ,Chamäleon' nennen. Das lag an seinem Faible für extravagante Kleidung. Er besaß Smokings in allen Farben, ließ sich nur von ersten Schneidern bedienen, trieb jeden erdenklichen .Ausgleichssport', paddelte, segelte, boxte, bevorzugte am Steuer das 150- km-Stundentempo, verkehrte vorzugsweise mit Richtern, Anwälten, Börsenmännern und gab sich einfachen Leuten gegenüber liebenswürdig- jovial. Andererseits vertrug er es nicht gut, in seinem journalistischen Metier von anderen Männern übertrumpft zu werden. Er hielt sich für ein Genie in der Entdeckung von Sensationen, obgleich er es mit der Wahrheit nicht so genau nahm. Wehe, ein Kollege, ja, womöglich ein ihm untergeordneter Kollege, wagte es, flinker und schmissiger zu sein als er. Der übersteigerte Ehrgeiz jagte ihm Feuer ins Blut. Einmal erzählte man sich von ihm, er habe sich mit einem Störenfried von Kollegen der Konkurrenz-Presse beim Billardspiel aussöhnen wollen. Der Kollege besiegte ihn am grünen Tisch. Die Folge sei ein Hieb mit dem Queue gewesen, den Morgan ausgeteilt hätte und der dem versöhnungsbereiten Kollegen eine
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