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Die Schatten von La Rochelle

Die Schatten von La Rochelle

Titel: Die Schatten von La Rochelle
Autoren: Tanja Kinkel
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Nähe. Sie fragte sich flüchtig, ob dieser unbekannte dritte Irsd m asens, dem sie nie begegnet war, wohl Paul oder Raoul glich. Der ehe m alige Eigentümer des Palais, der Herzog von Sully, war im letzten W i nter gestorben, allein, verbittert und im Exil, wie die F r au, die ihn dorthin verbannt hatte, Maria de’ M edici, die K önigin m utter. Bei dem Gedanken legte sich ein Schatten auf sie. Die m e rkwürdige Weh m u t , die das Lied in ihr ausg e löst h a tt e , v ertiefte sich. W enn die Nacht in Narbonne etwas Zeitl o ses gehabt hatte, dann be s aß diese h e u tige d i e ganze Mischung aus S chönheit und Verzweiflung, die der anbrechende Herbst im m er für sie hatte.
    Aber es ist noch nicht Herbst, dachte sie und erinnerte sich vage, das schon ein m al zu je m and e m g e sagt zu haben. Es ist noch So mm er. Es wi r d noch lange nicht Herbst sein.
    Dennoch weinte sie und wußte selbst nicht, w aru m . Paul fragte nichts. Aber er berührte die Spuren, die ihre Tränen hinterließen, m i t seinen L ippen, als trinke er sie, und als er sie küßte, schmeckte sie das Salz und die Bitterkeit.
    Dann sagte er: »Es ist Z eit zu gehen.«
     
    Als sie in ihren Räu m en im Palais Cardinal angekommen waren, hielt sie inne. » W enn er schläft«, sagte sie zögernd, »dann jetzt. Der Kardinal M azarin hat m ir versproch e n, daß er nicht län g er als ei n e Stunde bleiben würde, und Le Masle habe ich schon fortgeschickt.«
    »Es sollte ohnehin ein Gespräch ohne Zeugen sein.«
    Sie sah ihn an, und für einen Mo m ent schien er ihr so fre m d zu sein wie an dem Tag, als er ihr z u m ersten m al begegnet war.
    »Marie«, sagte er, »ich weiß, es ist nicht leicht für Euch. Aber es ist auch ni c ht l e icht f ür m ich. Do c h wenn Ihr m ir noch ein m al vertraut, dann wird die Vergangenh e it keine Macht m ehr über uns haben, weder über Euch noch über m i ch.«
    Das zweite Mal war es leichter als d as erste Mal in Tarascon.
    Sie verließ m it ihm ihre eigenen R äu m e und ging durch den kleinen Verbindungsgang zu den Zim m ern ihres Onkels. Die beiden Leibgardisten, die gerade Dienst taten, grüßten sie und war f en einen Blick auf ih r en Begleiter. Als ihr Gast wurde er nicht durchs u cht.
    »Er schläft noch im m er nicht, Mada m e«, sagte der ältere d er b e iden m it einer Gri m asse.
    »Ausnah m sweise trifft sich das gut. Ich habe noch einen Besucher für ihn.«
    Vor der Tür zum Studierzim m er hielt s i e inne. Es war die let z te Prüfung, das wußte sie, auch ihre Prüfung. Sie sah, wie das Licht, das aus dem Türspalt drang, in Pauls m e tallischen Augen re f le k ti e rte, so wie die Sonnenstrahlen von dem Eis auf der Seine zurückgeworfen worden waren.
    »Also gut«, sagte sie. »Geht hinein.«
     
    Es erre g t e in Charlotte im ersten Mo m ent mehr Schrec k en als Freude, als sie Matthieu i m Vorhof stehen sah. Dann spürte sie wi e der das Bedürfnis, zu weinen, und um es zu überspielen, sagte sie brüsk: »Ich dachte, du bist auf dem Weg nach A m erika.«
    »Pater Columban«, erwiderte er, »ist ohne m ich zurückgefahren. Aber er hat m i r versprochen, daß s e in Bruder, der Kapitän P i card, im nächsten S o mmer wieder über das große W asser kom m en wird. Ich werde noch ein weiteres Jahr in euren Steinhäusern leben, Charlotte Dieudonnée, wenn du mir dafür die r e stlichen Jahre deines Lebens gibst.«
    Charlotte öffnete den Mund, aber sie konnte nicht sprechen. Dann breitete sie die Ar m e aus, und die s er Mo m ent, der glücklichste Mo m ent ihres Lebens, m u ßte natürlich von einem ungeduldigen Herrn unterbrochen werden, der an Kut s chen und Bediensteten vorbeilief und lauthals ihren Na m en rief, »Charlotte! Charlotte!«
    Sie hätte ihn u m bringen können. Sta t t dessen beschränkte sie sich darauf, Matthieu ein m al kurz, aber heftig zu u m a r m en, und wandte sich dann m it m ühs a m bezäh m ter Wut dem jungen adli g en Herrn zu, der zu glauben schien, er halte eine seiner Vorlesungen in den Salons, so laut, wie er sprach.
    »Charlotte, ich m uß unbedingt m it ihr sprec h en! Mit deiner Herrin, m eine ich! Wo ist sie? Ich m uß unbedingt… es ist lebenswichtig!«
    »Sehr wohl, Monsie u r d’Irsd m asens«, ent g eg n ete Ch a rlotte eisig und schwor sich, Mada m e, wenn sie erst eine unabhängige Frau war, zu sagen, was sie von ihren Dichterlingen hielt.
    Auf halbem W eg k a m ihr Mada m e entgegen, die sehr überrascht wirkte, als sie der junge Irsd m asens
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