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Die Schatten von La Rochelle

Die Schatten von La Rochelle

Titel: Die Schatten von La Rochelle
Autoren: Tanja Kinkel
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zum letzten m al zu sehen. Er schaute wieder zu Richelieu.
    »Das spielt keine Rolle. Du weißt nicht, wie schnell ich bin, m eine Liebste. Und ich habe im m er d a m it gerechnet, danach sterben zu müssen.«
    »Nein. Du hast das alles so geplant, daß dir eine zie m lich gute Chance bleibt, zu entk o mmen. Aber deine Rache hat einen fatalen Makel.«
    Ihre leise St im m e war bar aller Emotionen, als sie langsam näher ka m , Schritt für Schritt, und fortfuhr: » W enn du glaubst, ich wäre so wichtig für ihn, dann täuschst du di c h. Es gibt etwas, das ihm m ehr bedeutet, etwas, das er sich i mm er gewünscht hat, und nur du kannst es ihm gleichzeitig geben und wieder wegneh m e n.«
    Jet z t hatte si e seine Au f m erksa m keit f ür einen e t was läng e r e n Zeitrau m . Sie blickte kurz zu ihrem Onk e l, dann sagte sie: »Er wünscht sich, was er nie hatte und jetzt auch nicht m ehr haben kann: einen Sohn. Du bist so geschickt m it W or t en, Paul, hast du nie über deinen eigenen Na m en nachgedacht? Deine Mutter hat dich Paul genannt, nicht wah r ? Deine Mutt e r m it ihrer V orliebe f ür W ortspiele . «
    Er erkannte, worauf sie hinauswollte. Er sah auch das schockierte Begreifen in Richelieus Gesicht. Ich hoffe, du wirst es nie verstehe n , hatte s eine Mutt e r zu i h m gesagt. Er erin n e r te s ich an e in Spiel: die sechsundz w anzig Buchstaben des Alphabets, m it roter Farbe auf Holzklötzc h en ge m alt, die er zu einem Tu r m aufbaute. Der Turm aus Buchstaben fiel zusammen, wie d i e Befestigungen von La Rochelle, geschleift, zerstört.
    Seine Stim m e war die eines verstörten Kin d es, als er erwiderte:
    »Nein.«
    »Paul d’Irsdmasens. Armand du Plessis«, sagte Marie. Ohne Mitleid, ohne H aß, kühl und gleich m ütig, als treffe sie eine si m ple Feststellung. »Sie m uß es für eine sic h ere Möglichkeit gehalten haben, es ihn eines T ages wissen zu lass e n. Wenn du jetzt aufstehst und davongehst, wird er m it dem Wissen l e ben m üssen, daß er deinen Sohn, seinen Enkel, getötet hat, daß der einzige Sohn, den er je haben wird, ihn haßt, und daß es keine Mögli c hkeit gibt, ihn je zu versöhnen. Das ist die Hölle. Hast du mir nicht g e sagt, das Leben sei eine Falle, in die uns die Erfüllung unserer W ünsche nur lockt, da m it wir in ihr eingesperrt sind ? «
    »Oh, Ihr seid gut, Mada m e«, sagte er tonlos. »Keine Amateurin, ich entschuldige m i ch. Ihr seid vollkom m en.«
    Er stand auf. Sie war ihm nahe genug gekom m en, um ihm den Dolch aus der Hand zu neh m en, doch sie berührte ihn nicht.
    »Kom m t «, s agte sie.
    Paul warf noch einen Blick auf den Kardinal, dann stieß er die Klinge in di e verbor g e n e Scheide in seinem Sti ef el. Die Leibgardisten, die nun wahrscheinlich entla s sen werden würden, nickten ihr kurz zu, als sie den Raum wieder m it ihm verließ. Sie sprach nicht, bis sie in dem Vorhof angekomm e n waren, wo Raoul zusammen m i t ihrer Zofe und einem b r onzehäutigen Mann wartete, der ein gesatteltes P f erd hi e lt.
    Zum erste n m al, seit sie das Zim m er des Kardinals verlassen hatten, sprach Marie ihn an. »Geht«, sagte sie.
    Paul ergriff die Zügel des Pferdes. Dann schaute er sie an. »Ihr habt gewonnen, Mada m e. Ich m eine es ehrlich. Komm m it m i r, Marie.«
    Die Farbe kehrte langsam in ihre f a hlen W angen zurück. »Nein. Ihr habt gewonnen, Monsieur. Vielleicht kann ich dich nicht töten, aber ich weiß nicht, ob ich dir je verzeihen werde.«
    Raoul, für den das W arten in d e r letzten Viertelstunde schlimmer als alles Bisherige in seinem Leben gewesen war, blickte von einem zum anderen. Er verstand keinen von beiden, hatte es nie getan und wollte es a u ch nie tun.
    Sein Bruder schwang sich in den S att e l, riß da s Pferd herum und preschte durch das große Eingangs t or hinaus in die Nacht. Raoul wandte sich wieder Marie zu und s a h die Tränen auf ihrem Gesicht. Sie schluchzte nicht, sie stand so r e glos da wie eine Statue, so daß er im ersten M o m ent glau b t e, sich zu täuschen.
    »Mada m e«, sagte er dann fassungslos, »Ihr weint!«
    Die dunkelhäutige Zofe warf ihm einen verärgerten Blick zu.
    »Monsieur«, stieß sie hervor, »Ihr seid ein Idiot. Männer!«
    Marie hörte sie nicht. Sie drehte sich um und ging zurück, Treppen und Gänge hinter sich lassend, bis sie wieder im Z i m m er ihres Onkels stand.
    »Ich frage m i ch«, sagte er, »ob er je wissen wird, daß Ihr nicht m ein Leben gerettet habt, sondern
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