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Die Schatten von La Rochelle

Die Schatten von La Rochelle

Titel: Die Schatten von La Rochelle
Autoren: Tanja Kinkel
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Königreich im höchsten Grade von Ruhm und Reput a tion zurückzulassen, den es je erreicht hat…
    Aber das kann doch nicht alles sei n , dachte Louis. Es m ußte noch etwas geben, das ausgesprochen w e rden m ußte. Und dann wußte er, was es war. Wann, wenn nicht jetzt? Sie waren allein, und er würde nie wieder m it einem a nderen Men s chen auf diese Art allein sein.
    »Mon cousin«, sagte er, »ich erin ne re m ich an Euch im Hofstaat m einer Mut t er. Es f i e l m ir d a m als auf, daß Ihr anders wart als der Rest ihrer Anhänger, für die ein K önigreich zu regieren nur bedeutete, m ehr Reichtum und m ehr Prunk zu genießen als beim Verwalten einer Grafschaft. Ich habe erkannt, was Ihr s eid, aber Ihr, Ihr ha b t m ich nicht erkannt. Ihr habt m ich, genau wie die anderen, für einen unreifen Jungen gehalten. Und dafür haßte ich Euch.«
    »Ich verstehe, Sire.«
    » W irklich ? « Louis m usterte die vertrauten Züge und war sich bewußt, daß er sie zum letzten m al sah. »Ich habe länger dazu gebraucht. Es ist s chwer, wißt Ihr, all die Ja h re auf diese W e ise m it je m and e m zu leben. Oh, ich hätte Euch jederzeit entlassen können, natürlich. Es hätte einem König viel eher e n tspr o chen als d a s , wofür der ar m e, törichte Cinq Mars ste r ben m ußte. Nur war es m ir un m öglich, Euch zu entlassen. Bis daß der Tod uns scheidet. Ich war nicht m it der Königin verheiratet, sonde r n m it Euch. Und eine solche Ehe scheint unauflöslich zu sein. Es geht m ir nicht gut, wißt Ihr das? Ich werde Euch bald ins Grab nachfolgen.«
    Eine W eile herrsc h te Stille in d em Rau m , wo der Geruch d er Arzneien und der wiederholten Aderlässe sich m it dem von sch m elzendem Wachs, Tinte und P apier m engte.
    »Ihr braucht Euch keine Sorgen um den Staat zu m achen«, sagte Louis. »Ich werde Euren Mazarin z u m Ersten Minister er n e n nen, wie Ihr es wünscht. Ihr vertraut m ir nicht ein m al genügend, um m ich d a s Königreich für ein paar Monate a llein re g i eren zu la s se n , nicht wahr ? «
    »Sire«, sa gt e der Kardinal, »ich erinnere m i ch auch an Euch in jenen Tagen. Ich erinnere m i ch an E u ch in all den Jahren danach, und glaubt m ir, ich wäre ein noch größerer Narr, als Monsieur le Grand es je gewesen ist, wenn ich nicht wüßte, was es für m i ch bedeutete, einem solchen König dienen zu können.«
    Louis stand auf. »Seht Ihr, so seid Ihr. Jetzt kann ich nichts m ehr sagen. Im m e r m üßt Ihr das letzte W ort haben.«
    »Gott schütze und erh a lte Eure Majestät.«
    Als er den Raum verließ, hörte er noch, wie Pater Leon, der Beichtvater des Kardinals, der m it Marie de Vignerot in das Zimmer zurückgeke h r t war, sowie die Tür wieder geöffnet wurde, sa g t e: »Es ist nun an der Zeit, daß Ihr all Euren Feinden vergebt, Monseigneur.«
    »Ich habe nie andere Feinde gehabt als die Feinde des Staates.«
    Das war zuviel. Louis drehte s i ch noch ein m al um und sagte herrisc h : »Ma d a m e la Duchesse, es ist Unser W unsch, daß Ihr Uns durch dieses Palais führt. W i e W ir erfuhren, wird Unser Erster Minister es Uns hinterlassen.«
    Keine anderen Feinde als die Feinde des Staat e s! Nicht einmal jetzt konnte er so etwas Menschliches wie Rachsucht zugeben, dachte Louis, nicht ein m al jetzt. Aber wenn schon nichts anderes, dann war es zu m i ndest m öglich, diese Ruhe zu erschüttern, und außerdem ka m en in ihm Haßgefühle gegenüber der Herzogin von Aiguillon auf. Wer war sie, um ihm d i ese stillsc h weigenden Vorwürfe zu m ache n ? Glaubte sie, er wü ß te ni cht ga n z genau, wer dort in diesem Zim m er star b ?
    Ihr verliert einen Onkel, Mada m e, dachte er und zwang sie, die gesa m t e Bildergalerie abzuschreiten, aber ich, ich verliere den Grund für m eine Existe n z. W e r i s t Louis XIII ohne R i chelie u ? Schlie ß lich blieb er vor einem der Bilder stehen.
    » W en stellt dieses Ge m älde dar, M a d a m e?«
    »Castor und Pollux«, erwiderte sie m it der gleichen undurchdringlichen Gelassenheit wie ihr Onkel, »die Zwillinge.«
    Louis lachte. Er lachte, obwohl jeder Ate m zug i hn sch m erzte. Was für grausa m e Scherze das Schicksal mit uns treibt.
     
    Nun, da er den Minister und den K ardinal abgestrei f t hatte wie all die anderen Hüllen seines Ichs, w a r es schwer, an der G egenwart festzuhalten. Er blickte im m er w i eder auf die Uhr, und manch m al konnte er sich an längere Zeiträu m e nicht m ehr erinnern, obwohl er sich sicher
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