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Die Schatten von Belfast

Die Schatten von Belfast

Titel: Die Schatten von Belfast
Autoren: Stuart Neville
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    Je mehr Fegans Augen sich an die Dunkelheit gewöhnten, desto klarer wurden die dunklen Umrisse. Der Raum war vollgestellt mit alten Möbeln, mit Tischen, Stühlen, Schränken und Kommoden. Unter oder hinter jedem dieser Gegenstände konnte McGinty sich versteckt haben. Vorsichtig trat Fegan über die Schwelle, die Dielen unter seinen Füßen knarrten. Staub stieg ihm in die Nasenlöcher, er unterdrückte einen Niesreiz. In seinem Rachen kitzelte es, und er hätte am liebsten …
    Wie ein Blitz schlug etwas auf seinen Kopf, und im nächsten Moment drehte sich alles im Raum. Fegan taumelte gegen die Wand, der Walther entglitt ihm und schlitterte über die Dielen irgendwo ins Dunkel. Beim zweiten Schlag mit dem Revolverkolben schrie McGinty auf, aber Fegan konnte gerade noch rechtzeitig seinen Unterarm heben und den Schlag ablenken. Er stieß McGinty weg, der andere taumelte zurück und fiel krachend auf einen umgedrehten Tisch. Fegan sprang auf ihn zu, aber McGinty warf sich zur Seite, und Fegan stieß gegen die aufragenden Tischbeine. Er schrie auf, als sich die hölzernen Stelzen in Bauch und Rippen bohrten.
    Wieder versuchte McGinty, ihm den Pistolenkolben auf die Schläfe zu schlagen, und schaffte es fast, doch Fegan zog den Kopf zurück, und der andere drosch ins Leere. Genau in dem Moment, als McGinty aus dem Gleichgewicht geriet, schnellte Fegan herum und schlug ihm die Faust auf die Schläfe.
    McGinty fiel krachend zu Boden und schlug mit dem Kinn auf die Dielen. Noch bevor er sich wieder erholen konnte, nahm Fegan ihn mit dem rechten Arm in den Schwitzkasten und zog. McGinty zappelte und wand sich, und obwohl Fegan sich mit seinem ganzen Gewicht auf ihn drückte, kämpfte der andere immer noch. Er krallte seine Finger in Fegans Hand und kratzte, doch Fegan erhöhte nur noch den Druck um den Hals.
    Mit der Linken versuchte er, seine Jackentasche zu finden und an Quigleys Kleinkaliberpistole heranzukommen, stocherte aber mit seinen tauben, ungeschickten Fingern nur auf dem Stoff herum, während McGinty sich mit seinem ganzen Gewicht hin und her warf. Fegan legte alle verbliebenen Kräfte in seinen gesunden Arm und drückte noch fester zu.
    McGinty strampelte immer verzweifelter und riss den Arm hoch, auf der Suche nach Fegans Gesicht, doch Fegan ignorierte das Kratzen und Klammern des anderen. Er spürte, wie McGintys Körper immer schlaffer wurde.
    »Jeder muss zahlen, Paul«, stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Früher oder später. Genau das hat sie gesagt.«
    McGintys Strampeln wurde schwächer, seine Hände sanken herab. Fegan drückte ihm weiter den Hals zu. Der Körper zuckte in einem letzten Überlebenskampf.
    »Jeder muss zahlen«, wiederholte Fegan. »Jeder. Sogar du.«
    McGinty zitterte noch einmal, dann war alles Leben aus ihm gewichen. Fegan blieb noch endlos lange auf dem Rücken liegen. Er fühlte McGintys reglosen Körper neben sich, während sein eigener vor Adrenalin und Schmerzen schrie. Als sich sein Herzschlag wieder beruhigt hatte, sah er zu den Schatten im Zimmer hoch. Er lockerte den Griff um McGintys Hals und legte den Kopf des Toten sanft auf den Boden.
    Mühsam rappelte er sich hoch. Zu dem stetigen Pochen in seiner linken Schulter hatten sich andere, neue Schmerzen gesellt. Fegan drehte sich einmal im Kreis. Er war allein, ganz allein. Niemand war mehr da - bis auf…
    Die Frau trat aus dem Schatten, das Gesicht eingesunken, die Hände vorgestreckt. Sie sah hinab auf ihre Hände, ihre Arme, die jetzt so leer waren ohne ein Kind, das sie tragen konnten. Sie hatte den Mund aufgerissen, ihre Augen waren gleißende Punkte. Sie hielt Fegan ihre Hände hin, damit er sah, wie leer sie waren.
    Leer. So leer.
    Fegan schüttelte den Kopf. »Ich verstehe nicht.«
    Ihre Gesichtszüge wurden hart. Sie kam näher und formte aus den Fingern der rechten Hand eine Pistole. Zornig funkelte sie Fegan an, hob den Arm und legte ihm die Fingerspitze an die Schläfe. Kalter Schweiß brach ihm aus, als sie ihn erschoss.

EINE
     
    »Nein«, rief Fegan.
    Die Frau drückte ihm den Finger noch fester gegen die Stirn. Ihre Lippen machten lautlos peng, als sie abdrückte. Ihre Augen brannten sich in seine.
    Fegan fuhr zurück. »Nein. Ich habe doch getan, was ihr wolltet.«
    Sie kam ihm nach. Die imaginäre Pistole zielte auf seinen Kopf.
    »Ich habe es doch gemacht. Ich habe sie alle getötet. Ich habe sie umgebracht, damit ihr gehen konntet. Ich habe getan, was ihr wolltet. Bitte,
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