Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schatten von Belfast

Die Schatten von Belfast

Titel: Die Schatten von Belfast
Autoren: Stuart Neville
Vom Netzwerk:
am nächsten dran.«
    »Hör auf, Gerry.«
    »Und wofür das Ganze?«
    »Mir wurde dasselbe gesagt wie dir. Dass sich da über dem Laden die Loyalisten treffen würden.«
    »Du lügst. Du hast gewusst, dass da oben nur Lagerräume waren. Wofür das Ganze? Erklär ihr, wofür sie sterben musste.«
    McGintys Schatten kämpfte mit einem anderen, der sich wand. Ellen wehrte sich in seinem Arm und versuchte immer noch, freizukommen.
    »Erklär der Frau mit dem Baby, wofür sie gestorben sind, Paul. Daraufhat sie ein Recht.«
    »Da unten ist niemand, Gerry. Verstehst du das denn nicht? Sie ist nur in deinem Kopf.«
    »Erklär es ihr, Paul.«
    McGintys Seufzen rollte die Treppe hinunter. »Um auf mich aufmerksam zu machen.«
    Fegan hob die rechte Hand an die linke Schulter. Er spürte die Hitze der Wunde. Blut sickerte auf seine Fingerspitzen. »Um auf dich aufmerksam zu machen?«
    »Ja. Um dafür zu sorgen, dass die Führung Notiz von mir nahm. Ich hatte schon viel zu lange nur am Rand gestanden. Ich brauchte eine große Sache, damit die Führung die Schlagzeilen bekam, die sie wollten.«
    »Du hast mich diese Bombe legen und Menschen umkommen lassen, nur damit es Schlagzeilen gab? Damit du dir einen Namen machen konntest?«
    »Mir blieb nichts anderes übrig, Gerry. Und es hat ja auch funktioniert. Ich habe damals schon gesehen, wohin die Reise gehen würde. Die Politik, die Wahlen. Wenn ich mich damals nicht durchgeboxt hätte, hätte ich es nie mehr geschafft. Dann wäre ich genauso ein Fußsoldat geblieben wie du oder Eddie Coyle.«
    Fegan sah die Frau und ihr Baby an. Und den Metzger mit dem runden, rosigen Gesicht. »Sie sind gestoben, damit du dir einen Namen machen konntest.«
    »Aber ich habe auch viel Gutes bewirkt, Gerry. Vergiss das nicht. Ich habe mitgeholfen, den Frieden zu schaffen. Ich habe die Jungs auf der Straße bei der Stange gehalten. Ich, Gerry. Wenn ich nicht gewesen wäre, hätte die Sache nie und nimmer funktioniert. Du hast das alles jetzt aufs Spiel gesetzt. Hast du mich verstanden? Diese ganzen Menschenleben - umsonst. All die Arbeit, der Kummer, all die Jahre, vielleicht hast du das jetzt alles ruiniert. Und wofür? Für irgendwelche Hirngespinste?«
    McGintys Stimme hatte wieder die übliche Tonlage angenommen, mitsamt politischem Geprotze und verlogener Phrasendrescherei.
    Ohne die Walther loszulasssen, rieb sich Fegan mit den Fingerknöcheln die Augen. »Was war ihr Leben wert?«
    »Es reicht jetzt, Gerry.«
    »Und das ihres Babys?«
    »Komm schon, du weißt doch …«
    »Und der Metzger. Was war sein Leben wert? Oder nur eins von den dreien? Was waren sie dir wert, Paul?«
    »Du hast es getan, Gerry. Du hast sie getötet. Niemand sonst.«
    Fegan hob seine blutverschmierten Hände an die Schläfen, die Walrher fühlte sich auf seinem Schädel kühl an. »Ich weiß.«
    McGintys Stimme wurde scharf. »Und erzähl mir jetzt bloß nicht, es hätte dir keinen Spaß gemacht. Erzähl mir nicht, du hättest deine Macht nicht.«
    »Halt die Klappe.«
    »Und den ganzen Respekt, den dir das eingebracht hat. Wo du auch hinkamst, haben die Leute zu dir aufgeschaut. Der große Gerry Fegan. Und das alles hast du versoffen. Wer bist du denn schon noch?«
    »Halt die Klappe.«
    McGinty lachte auf. »Nur noch ein Trunkenbold, der sie nicht mehr alle hat. Deshalb wendest du dich jetzt gegen deine eigenen Leute, damit du dir wieder wie ein Kraftprotz vorkommst. Ist es so, Gerry? Geht es dir darum? Du bist doch nichts weiter als ein einsamer Schnapsbruder, der seine besten Zeiten längst hinter sich hat. Ohne eine Waffe und jemanden, auf die du sie richten kannst, bist du ein Nichts.«
    Fegan kniff die Augen zusammen. »Halt endlich die Klappe!«
    »Und was ist, wenn alles vorbei ist? Was dann? Was bist du dann, Gerry?«
    Fegan hockte sich hin und schob, die Walther nach oben gerichtet, vorsichtig den Kopf aus der Tür. McGintys Revolver blitzte auf, und eine Kugel spritzte Fegan Holzsplitter und Putz ins Gesicht. Hustend ließ er sich ins Zimmer zurückfallen, der Staub war ihm in den Hals geraten. Mit dem Ärmel wischte er sich das Gesicht ab.
    Noch eine.
    Als er wieder aufblickte, sah er die Frau und ihr Baby, der Metzger stand neben ihnen. Das kleine Kind strampelte, während die Frau und der Metzger zu McGinty hinaufwiesen. Fegan sah, wie der Schatten über die Wand kroch, McGinty lief wieder hin und her. Ellen jammerte, zum Weinen war sie offenbar inzwischen zu erschöpft.
    »Du hast meine Frage nicht
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher